Tarmed: Auch die Psychiater wehren sich gegen Alain Bersets Pläne

Der Psychiater-Verband FMPP befürchtet Lohneinbussen bis 10 Prozent – und er spricht von Rationierung. Die Idee, bei den «Leistungen in Abwesenheit der Patienten» zu kürzen, trifft das Fach besonders hart.

, 15. Mai 2017 um 15:41
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  • psychiatrie
Auch die Psychiater protestieren gegen das Tarmed-Pläne von Bundesrat Alain Berset. Denn dieser Fachbereich sei sehr betroffen – womit ausgerechnet die am schlechtesten verdienenden Mediziner mit Lohneinbussen rechnen müssten. 
In ihrer Stellungnahme greift die Verbindung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Ärzte FMPP das R-Wort auf: Die Änderungen rationierten die psychiatrischen Leistungen – vor allem die wichtige Bezugs- und Umfeldarbeit. Betroffen seien insbesondere Kinder und Jugendliche, aber auch ältere Menschen und Arbeitnehmer. Dass die neuen Tarife zudem Telefonate auf 20 Minuten begrenzen, könne hier in Krisen Leben gefährden.

LAP ist nicht nur Lesen von Akten

Der Tarmed-Eingriff des Bundesrats bezwecke offenbar in erster Linie Tarifsenkungen, sagt Alexander Zimmer, Tarifverantwortlicher der FMPP. Dabei ist der Fachbereich speziell betroffen durch die Grenzen, welche der Bund für Leistungen in Abwesenheit der Patienten setzen will; denn in der Psychiatrie gehören Gespräche mit Angehörigen, Behörden, Schulen und anderen Behandelnden schlicht zur Norm.
Das heisst für den FMPP: Alain Berset plant Rationierungen in der psychischen Versorgung – und damit genau bei der Patientengruppe mit der schwächsten Lobby.
«Psychiatrische Versorgung gelingt nur mit Bezugs- und Umfeldarbeit», so das Argument. Und in der Psychiatrie bedeute LAP eben mehr als das Lesen von Patientenakten – nämlich die Bezugs- und Umfeldarbeit.

Psychiatrie als Kollateralopfer?

«Chirurgen können ohne Skalpelle nicht operieren, Internisten ohne Stethoskop keine Diagnose stellen», sagt Zimmer. «So ist das auch für uns Psychiater: Ohne Netzwerkarbeit können wir nicht vernünftig arbeiten.»
Am Ende dürften die Limitationen zu mehr Klinikzuweisungen und höheren Kosten führen.
Die Organisation der Psychiater kommt zum Schluss, dass in ihrem Bereich Lohneinbussen bis zu 10 Prozent zu befürchten sind. Dies sei unverständlich – schliesslich wollte die Landesregierung ja primär bei hoch bewerteten operativen Fächern korrigieren, ferner dort, wo technische Fortschritte die Effizienz gesteigert haben. Andererseits hatte Gesundheitsminister Berset verkündet, die Grundversorgung aufwerten zu wollen.
Doch die nun betroffenen Psychiater – insbesondere die Kinder- und Jugendpsychiater – gehörten bereits heute zu den am schlechtesten verdienenden Medizinern im Land. 
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