Schweiz Tourismus will mehr Touristen in Privatspitäler locken

Ein Spitalbesuch als Erlebnisprogramm? Schweiz Tourismus bietet Gruppenführungen in Privatkliniken an. Das Ziel sind reiche Medizintouristen.

, 5. Februar 2020 um 07:59
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«Einblick in das Schweizer Gesundheitssystem» heisst das neue Erlebnis, das Schweiz Tourismus Gruppenreisenden anpreist. Die Touristen können sich zum Beispiel in der Vitznauer Rehaklinik Cereneo während eines halben Tages über die «VIP-Gesundheitsversorgung in der Schweiz» informieren lassen.
Am Ende der Führung lockt ein leichtes Buffet und die Möglichkeit, sich mit Mitarbeitenden der Klinik auszutauschen, wirbt Schweiz Tourismus. In der Hoffnung, damit viele reiche Medizin-Touristen aus dem Ausland anzuziehen.

Schweiz Tourismus vermarktet auch Burnout-Kliniken

«Wir erschliessen diese neue Tourismus-Form, die zeit- und raumunabhängig ist», kündete Martin Nydegger, Direktor von Schweiz Tourismus vor einem Jahr an. Angepeilt werden in erster Linie Patienten aus Russland und den GUS-Staaten, aus den Golfstaaten, China, Grossbritannien und Skandinavien.
Die Spital-Erlebnis-Führungen gibt es auch in der Zürcher Hirslanden-Klinik und in Bad Ragaz.  Touristen können über die Website von Schweiz Tourismus aber auch gleich direkt einen Klinikaufenthalt buchen: Gross wirbt Schweiz Tourismus etwa für die Burnout-Klinik Holistica im Unterengadin. Die St. Galler Oberwaid wird als Hotel-Klinik vermarktet. Und das Waldhotel auf dem Bürgenstock wird den Touristen für postoperative Rekonvaleszenz, Burnouts und medizinische Kontrolluntersuchungen empfohlen.

Werden aus Steuergeldern Privatkliniken unterstützt?

Die Werbekampagne werde aus Steuergeldern finanziert und nütze vor allem den Privatkliniken, kritisiert die Zeitschrift «Saldo». Von den 700 000 Franken, welche die Kampagne pro Jahr kostet, würden die Kliniken nur die Hälfte übernehmen, den Rest zahle Schweiz Tourismus.
Eine Studie der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften warnt zudem davor, dass Medizintouristen in grosser Zahl die Ärzte und Pflegefachpersonen so stark beanspruchen würden, dass die Schweizer Patienten benachteiligt werden könnten.

Luzerner Kliniken kapitulierten vor Westschweizer Konkurrenz

Schweiz Tourismus verspricht sich hingegen vom Medizintourismus einen Aufschwung für die ganze Tourismusbranche. Denn offenbar zeigen die Erfahrungen, dass ausländische Spitaltouristen durchschnittlich mehr als zwei Begleitpersonen mitbringen, die dann die Hotels und Restaurants in der Nebensaison besser auslasten könnten.
Schweiz Tourismus hofft, den Jahresumsatz mit den Medizintouristen von 190 Millionen auf 245 Millionen Franken steigern zu können. Bislang ist dieser Tourismuszweig allerdings noch sehr schwach: So musste vor ein paar Jahren der Plan, mehr Medizintouristen nach Luzern zu locken, begraben werden. Die Westschweizer Privatspitäler waren eine zu grosse Konkurrenz.

Viele ausländische Patienten landen ungeplant im Spital

Möglicherweise wird der Markt für Medizintouristen auch zu optimistisch eingeschätzt. So ging Schweiz Tourismus gemäss «Saldo» von 36 000 ausländischen Patienten aus, die 2017 Schweizer Spitäler besuchten. Doch mitgezählt waren auch viele ungeplante Spitalaufenthalte – etwa von verunfallten Skifahrern. Effektive Gesundheitstouristen gab es laut Bundesamt für Statistik letztes Jahr nur 12 600. Diese stammen zum grössten Teil nicht aus Russland, dem Nahen Osten oder aus China. Sondern aus den Nachbarländern Deutschland und Frankreich.
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