Das Basler Sozialversicherungsgericht verpflichtete Atupri zur Übernahme der Kosten für Serumaugentropfen zu Lasten der Grundversicherung. Dies wollten der Krankenversicherer und gleichzeitig auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) aber nicht akzeptieren – sie gelangten beide mit einer Beschwerde an das höchste Gericht in Lausanne.
Anlass der Streitigkeiten ist der Fall eines 84-jährigen Mannes, der seit knapp zehn Jahren unter der Stevens-Johnson-Reaktion bzw. dem Lyell-Syndrom leidet. Dies äussert sich durch eine Störung der Trophik und Befeuchtung der Augenoberfläche. Mit der Folge, dass die Bindehaut an beiden Augen vernarbte. Auch mehrere operative Eingriffe konnten nicht verhindern, dass er am linken Auge erblindete.
Atupri zahlte zwischen 2009 und 2017
Um die Situation am rechten Auge stabil zu halten, verordnete der Augenarzt neben therapeutischen Kontaktlinsen autologe Serumaugentropfen. Nach Angaben des Facharztes existieren keine anderen wirksamen zugelassene Behandlungsmethoden. Ohne diese Massnahme sei auch am rechten Auge mit einem Einschmelzen der Hornhaut zu rechnen – und es drohe letztlich die Erblindung.
Nach jahrelanger Kostenübernahme verneinte der Vertrauensarzt von Atupri plötzlich den Anspruch. Der Versicherer hatte zwischen 2009 bis Ende März 2017 die Kosten vorbehaltlos übernommen. Die Begründung der Ablehnung: autologe Serumaugentropfen sind nicht auf der Spezialitätenliste (SL). Und auch die Voraussetzungen für eine Übernahme im Einzelfall seien nicht erfüllt. Die Kosten für die Tropfen betragen für ein Jahr rund 3'800 Franken.
Zugelassen – nicht zugelassen – zulassungsbefreit?
Strittig war nun die Frage, ob es sich bei Serumaugentropfen als Eigenserum-Präparat um «Magistralrezepturen» handle und dies ein «verwendungsfertiges Arzneimittel» darstellt. Atupri verneinte dies. Der Versicherer machte geltend, dass weder die SL noch die Arzneimittelliste mit Tarif (ALT) die Serumaugentropfen beinhalte. Das BAG war ausserdem der Ansicht, unter «verwendungsfertig» seien vor allem industriell hergestellte abgepackte Arzneimittel zu verstehen; Magistralrezepturen seien diesen nicht gleichzusetzen.
Für die Bundesrichter ist aber klar: Die Serumaugentropfen gehen im Falle des Beschwerdegegners zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Serumaugentropfen befinden sich laut den Richtern aus Lausanne in der verwendungsfertigen Form. Bei der Magistralrezeptur handelt es sich zudem nicht um ein zugelassenes, aber auch nicht um ein nicht zugelassenes, sondern um ein zulassungsbefreites Arzneimittel. Als solches stehe die Magistralrezeptur den zugelassenen Arzneimitteln jedenfalls näher als den nicht zugelassenen.
Beschwerdegegner erhält Entschädigung
Darüber hinaus sei aufgrund des beschriebenen individuellen Verlaufs sowie der dargelegten medizinischen Fachliteratur die Voraussetzung des hohen therapeutischen Nutzens erfüllt – auch im (angemessenen) Verhältnis zu den Kosten. Der Beschwerdegegner erhält für das Verfahren 2'400 Franken – je hälftig vom BAG und von Atupri. Die 500 Franken Gerichtskosten werden dem Versicherer auferlegt.