Die angeklagte 35-Jährige stritt nicht ab, dass sie ihrem Arbeitgeber zwei Ohrfeigen verpasst hatte. Sie habe sich wehren müssen, weil der 69-jährige Hausarzt sie bei einem Streit an die Wand gedrückt habe. Ein ungleiches Duell: Die Frau wiegt 50 Kilogramm und ist 1,57 Meter gross, der Arzt wiegt 90 Kilogramm bei einer Körpergrösse von 1 Meter 80.
Bei der Auseinandersetzung ging es um einen alten Medikamentenkoffer, welcher der Hausarzt in die Praxis mitbrachte und aufstellte. Die Medikamente darin waren aber bereits seit über einem Jahrzehnt abgelaufen. Die Praxisassitentin wollte die Medikamente entsorgen; das passte dem Arzt nicht. Es kam zum Streit, wie die NZZ berichtet. Der Arzt sagte vor dem Bezirksgericht Horgen, er habe wegen der Schläge eine Netzhautablösung erlitten und sei deswegen zwölf Tage arbeitsunfähig gewesen.
«Rechts-links-Kombination im Sinne eines Karateschlages»
Der Staatsanwalt hatte deshalb gefordert, die Frau der einfachen Körperverletzung schuldig zu sprechen und eine bedingten Geldstrafe von 13'500 Franken und 2700 Franken Busse verlangt. Der Arzt forderte seinerseits Schadenersatz: Eine Genugtuung in der Höhe von 5000 Franken sowie 12'000 Franken für die entgangenen Einnahmen während des Arbeitsausfalls. Der Anwalt des Arztes stellte den Vorfall in der Praxis drastisch dar. Von «einer Rechts-links-Kombination im Sinne eines Karateschlages» war die Rede.
Doch das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es erachtete sowohl die Version des Arztes wie auch jene der Praxisassistentin als plausibel. Es entschied im Zweifel für die Angeklagte und sprach diese frei. Die Frau erhält eine Prozessentschädigung.