Pharmasuisse ist empört über «Rose»-Gerichtsentscheid

Richter haben entschieden: Der Chef der Versandapotheke «Zur Rose» darf rezeptfreie Medikamente versenden. Pharmasuisse ist verärgert.

, 13. Januar 2021 um 16:01
image
Weil der Schweizer Apothekenverband Pharmasuisse gegen ihn klagte, musst der Chef der Versandapotheke «Zur Rose» vor dem Bezirksgericht Frauenfeld antraben.

Vorwurf: Unlauterer Wettbewerb

Pharmasuisse warf Walter Oberhänsli Widerhandlungen gegen das Heilmittelgesetz und Vergehen gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb vor. Vergeblich. Die Richter kamen zu einem anderen Urteil als der Apothekenverband.
Weder der Versand von rezeptfreien Medikamenten noch die Entschädigungen für elektronisch rezeptierende Ärzte sind strafbar. Deshalb wurde Oberhäsli vollumfänglich freigesprochen.

«Nur an Umsatz und Gewinn orientiert»

«Wir können das Urteil nicht nachvollziehen», kommentiert Pharmasuisse-Sprecherin Stephanie Balliana das Urteil. «Zur Rose» habe mit ihrem Geschäftsmodell bewusst das geltende Recht umgangen. Und weiter: «Das Urteil zeigt, dass für Unternehmer andere Regeln gelten als für uns anderen.» Das Modell ohne Fachberatung oder individuelle Betreuung sei an Umsatz und Gewinn orientiert. Es biete keinen Beitrag zur Patientensicherheit und zur medizinischen Grundversorgung.
Ganz anders sieht das die Versandapotheke: «Wir sehen uns in unserem Anliegen bestärkt, die Gesundheitsversorgung dank der Digitalisierung kostengünstiger, besser zugänglich und sicherer zu gestalten», teilte Walter Oberhänsli unmittelbar nach dem Urteil mit.

Ist Versandverbot ein «anachronistisches Relikt»?

Das Versandverbot von rezeptfreien Medikamenten sieht er als «anachronistisches Relikt, welches in Corona-Zeiten sogar als gesundheitsschädigend zu beurteilen ist.»
Auch bei den elektronischen Rezepten doppelt er nach dem Gerichtsurteil umso kräftiger nach: «Dringend wäre nun die verpflichtende Einführung des elektronischen Rezepts, nachdem zahlreiche Studien belegen, dass dieses die Patientensicherheit erhöht und Folgekosten, wie sie durch Medienbrüche und das Fehlen digitalisierter Prozesse entstehen, vermeidet.»

Verband findet Geschäftsmodelle weiterhin widerrechtlich

Pharmasuisse, dem 1500 Apotheken angehören, beklagt derweil eine ganz andere Signalwirkung des Urteils. Es zeige, dass sich Unternehmer nicht ums Gesetz kümmern müssten und mit widerrechtlichen Geschäftsmodellen viel Geld verdienten. Vor Gericht könnten sie eh auf Freisprüche zählen.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Vom Bestellbüro zum Werttreiber

Interview von Unite mit Christian Offergeld, Strategie- und Managementberater für Spitäler bei Unity Schweiz AG , über die notwendige Transformation und Digitalisierung der Beschaffung in Spitälern

image

«Sind die wirklich schon im 21. Jahrhundert angekommen?»

Unterschiedliche Bewilligungen, doppelte Systeme, Papierzwang: Apotheker Lukas Korner schildert, wie der Staat die Effizienz-, Spar- und Digitalisierungs-Efforts im Gesundheitswesen unterläuft.

image

Für Apotheken wird der Verkauf von Medikamenten der Kategorie B einfacher

Die Apotheken sollen nicht unter der Umteilung der Arzneimittel-Kategorien leiden. Der Bundesrat erleichtert ihnen deshalb die obligatorische Dokumentation.

image

Ein Oensinger Gesundheitszentrum betreibt den ersten «Medicomat» in der Schweiz

Das Gerät im Vitasphère-Gesundheitszentrum funktioniert wie ein Getränkeautomat. Doch statt Flaschen gibt der Automat rund um die Uhr Medikamente heraus.

image

Per App zur Apotheke: Benu testet Expresslieferung mit Just Eat

Schnupfenmittel, Babyfood oder Schwangerschaftstests – ab sofort liefert Just Eat aus den Benu-Apotheken an die Haustür. Mit dem Projekt will die Kette die «Apotheke der Zukunft» greifbarer machen.

image

Apotheken dürfen mehr von ihrer Arbeit verrechnen

Der neue Tarifvertrag für die Apotheken regelt, wie viel die Verblisterung von Medikamenten und die Beratung künftig kosten darf.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.