Big Data: ETH startet schweizweite Grippestudie

Wollen Sie wissen, ob die Grippe in der Nachbarschaft umgeht? Das Grippenet zeigt es. Mit der neuen Plattform verfolgen ETH-Forscher die Ausbreitung der Viren. Wichtig dabei: dass viele mitmachen.

, 8. Dezember 2016 um 12:00
image
  • grippe
  • trends
  • epidemiologie
  • forschung
Fakten, Karten und Zahlen. So präsentiert sich die Anfang Dezember aufgeschaltete Online-Plattform Grippenet.ch. Die Seite dient einer schweizweiten Grippen-Studie, durchgeführt von Forschern der ETHs Zürich und Lausanne sowie der Universitätsspitäler von Genf und Lausanne, HUG und CHUV.
image
Das Ziel dabei: besser zu verstehen, wie das Verhalten der Bevölkerung auf die Grippeverbreitung zusammenhängt. Das Wissen daraus soll künftig helfen, die Ausbreitung von Krankheiten zu bekämpfen, wie die ETH in einer Mitteilung schreibt. 
Die Forscher des ETH-Bereiches Computational Social Science sind für die Erhebung auf Teilnehmer aus der ganzen Schweiz angewiesen. Mittels einer Online-Befragung können in der Schweiz wohnhafte Personen jeden Alters und unabhängig davon, ob sie Grippesymptome haben oder nicht, an der Studie teilnehmen.
Die Analyse startete Anfang November und dauert bis Mai 2017. Wer mitmachen will, registriert sich mit der Postleitzahl und einer E-Mailadresse auf dem Grippenet; die Personendaten sollen laut ETH anonym bleiben. Die Teilnehmer müssen wöchentlich ein paar Fragen zu ihrem Gesundheitszustand beantworten. Dauer: fünf Minuten.

Aktuelle Karte fast in Echtzeit

Je mehr Menschen sich am Projekt beteiligen, desto mehr erfahren die ETH-Forscher über die Ausbreitungswege der saisonalen Grippe und über die Faktoren, welche den Verlauf einer Epidemie steuern.
Die Studienteilnehmer erhalten dafür laufend aktualisierte Informationen dazu, wie sich die gemeldeten Grippezustände in verschiedenen Kantonen, einschliesslich ihrem eigenen, verändern. Die Ergebnisse der Studie werden in Form von Karten und Zahlen veröffentlicht, wöchentlich aktualisiert – «in einer Genauigkeit, wie Sie sie nur hier finden», wie die Forscher versprechen. 
image
Die Karte zeigt die Verteilung von grippeähnlichen Symptomen in der Schweiz (Grippenet)

Daten direkt von der Bevölkerung

Grippenet ist Teil der europäischen Initiative Influenzanet, eine wissenschaftliche Aktion im Rahmen des EU-Projektes (Epiwork). Damit wolle man in über zehn europäischen Ländern den Verlauf der alljährlichen Grippe-Epidemie schnell, genau und vor allem auch länderübergreifend verfolgen.
Anders als die bisher üblichen Grippe-Überwachungssysteme bezieht Influenzanet seine Daten jedoch nicht von Ärzten oder Spitälern, sondern direkt von der Bevölkerung. 
Zur Zeit nehmen über 40’000 Freiwillige aus zehn europäischen Ländern regelmässig an der Onlinebefragung teil. Nach den Niederlanden, Belgien, Portugal, Italien, Grossbritannien, Schweden und Frankreich beteiligen sich jetzt Deutschland, Österreich und die Schweiz mit «Aktiv gegen Grippe» daran.

Neuer Anlauf nach Google «Flu Trend»?

Das Grippenet weckt Erinnerungen an Google «Flu Trend». Vor zwei Jahren stampfte der amerikanische Internetkonzern diesen Service ganz ein. Der Grund: Prognose-Pannen.
Die Angaben auf dem Höhepunkt der Grippesaison lagen damals weit daneben. Offenbar häuften sich dort die Suchanfragen, die zwar mit der Grippe einhergingen, aber nicht viel damit zu tun hatten. Der Algorithmus aus dem Silicon Valley war nicht raffiniert genug, um herauszufiltern, wo der Virus wirklich auftauchte beziehungsweise auftauchen würde.
Als Alternative für die Grippenprognose wird zum Beispiel auch die Auswertung der Anfragen bei Wikipedia genannt. Einen neuen Anlauf starteten vor einem Jahr einige Statistiker der Harvard-Universität. Sie versuchen derzeit mit einem verbesserten Prognosemodell namens «Argo», die Schwächen von «Flu Trends» auszubügeln.
Grippenet versteht sich nun als zusätzliche Informationsquelle: Es greift auf Schwarm-Informationen zu und kombiniert sie mit diversen anderen epidemologischen Daten. Denn eines hat die Erfahrung mit «Flu Trend» ans Licht gebracht: Wenn man sich auf eine einzelne – neuartige – Datenquelle verlässt, sind die Ergebnisse sehr unzuverlässig.

Maskenpflicht am Universitätsspital Genf

Im Unispital Genf (Hôpitaux universitaires de Genève) gilt wegen der Grippe seit Mittwoch eine Maskenpflicht.  Zweck der Massnahme ist es, die Patienten von einer externen Grippeninfektion zu schützen, wie die «Tribune de Genève» schreibt.
Bis vor kurzem war für die Besucher eine Maske lediglich dringendst empfohlen, wenn sie während der Grippenzeit eine laufende Nase oder leichtes Fieber hatten. Von der neu geltenden Vorschrift sind nun auch gesunde Besucher betroffen.

BAG: «Pflicht ist kein Thema»

Diese nach eigenen Aussagen schweizweit einzigartige Massnahme hatten die Hôpitaux universitaires de Genève bereits Anfang 2015 vorübergehend eingeführt. 
Beim Bundesamt für Gesundheit findet man die Maskenpflicht in Genf «interessant. Doch die Akzeptanz fürs Maskentragen sei in der Schweiz gering, deshalb sei eine schweizweite Pflicht kein Thema. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Immer mehr Pillen – und immer mehr Komplementär-Medizin

Der Gebrauch von Schmerzmitteln hat sich in den letzten drei Jahrzehnten verdoppelt. Der Gebrauch von Physiotherapie ebenfalls. Und so weiter.

image

Erste Transplantation mit«DaVinci-Xi-System» am Kantonsspital St. Gallen

Erstmals wurde am KSSG die Niere eines Lebendspenders mit Hilfe chirurgischer Robotik entnommen.

image

Effizienz durch digitale Prozesse

Schwarzwald-Baar Klinikum meistert Hürden der Anbindung von HYDMedia an das LE-Portal

image

Knieprothetik: KSBL setzt auf J&J Robotertechnik

Damit kann eine noch höhere Präzision erreicht werden.

image

Diese klinischen Studien könnten 2024 den Durchbruch schaffen

Neue Impfungen, eine Stammzelltherapie, ein vielfältiger Einsatz von Künstlicher Intelligenz: All das könnte sich demnächst durchsetzen.

image

Forschung: Brustkrebs-Früherkennung mit Fingerabdruck?

Ein Fingerabruck könnte in Zukunft die Mammografie zur Brustkrebs-Früherkennung ersetzen.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.