Drohende Wasservergiftung: Bluttest anstatt Durstversuch

Bei übermässiger Flüssigkeitsaufnahme haben Basler Forscher einen einfachen und verträglichen Bluttest entwickelt. Dieser hilft, eine seltene Hormonstörung rasch und zuverlässig zu diagnostizieren.

, 12. Juli 2019 um 08:18
image
  • forschung
  • universitätsspital basel
  • spital
Eine Trinkmenge von über drei Litern pro Tag mit entsprechend vermehrter Urinausscheidung gilt als zu viel. Literweise Trinken kann eine medizinisch unbedenkliche Gewohnheit darstellen, aber auch auf eine seltene Hormonstörung hinweisen.
Bei dieser Krankheit (Diabetes insipidus) fehlt in der Hirnanhangdrüse das Hormon Vasopressin, welches in unserem Körper den Wasser- und Salzgehalt steuert. Betroffene Personen können den Urin nicht konzentrieren und verlieren deshalb grosse Mengen an Flüssigkeit.  

Arginin statt Salzinfusion

Um eine richtige und zuverlässige Diagnose zu stellen, haben Forschende der Universität und des Universitätsspitals Basel (USB) nun ein neues Verfahren entwickelt. Denn eine falsche Behandlung kann lebensbedrohliche Folgen haben, da eine unangebrachte Therapie mit Vasopressin zu einer Wasservergiftung führen kann. 
Bettina Winzeler, Nicole Cesana-Nigro, Julie Refardt, Deborah R. Vogt, Cornelia Imber, Benedict Morin, Milica Popovic, Michelle Steinmetz, Clara O. Sailer, Gabor Szinnai, Irina Chifu, Martin Fassnacht, and Mirjam Christ-Crain. «Arginine-stimulated copeptin measurements in the differential diagnosis of diabetes insipidus: a prospective diagnostic study», in «The Lancet» 
Anstatt einer herkömmlichen Salzinfusion werde eine Infusion mit dem Eiweissbestandteil Arginin verabreicht. Diese stimuliere ebenfalls das Hormon Vasopressin, schreiben die Forscher im Fachmagazin «The Lancet». Bereits 60 Minuten nach Arginininfusion könne der Anstieg von Vasopressin im Blut erfasst werden. Hierzu werde der Biomarker Copeptin, welcher die Konzentration von Vasopressin wiederspiegelt, mit einem einfachen Bluttest gemessen.

Treffsicher und bessere Verträglichkeit

Die neue Methode hat eine hohe diagnostische Treffsicherheit: Über 90 Prozent aller Studienteilnehmer konnten richtig diagnostiziert und entsprechend rasch behandelt werden. Die Vorteile des Arginin Tests seien die einfache Durchführung und die viel bessere Verträglichkeit: während bei der herkömmlichen Salzinfusion mehr als 70 Prozent aller Patienten über Kopfschmerzen, Schwindel und Unwohlsein klagten, traten diese Nebenwirkungen mit dem neuen Test nur in Einzelfällen auf. Der Arginin Test stehe für die klinische Praxis ab sofort zur Verfügung, schreibt das Unispital in einer Mitteilung.
Viele Jahrzehnte lang erfolgte die Unterscheidung von Formen des Vieltrinkens auch mittels eines «Durstversuchs». Bei diesem Test durften untersuchte Personen während 16 Stunden keine Flüssigkeit zu sich nehmen und die Urin-Konzentrationsfähigkeit und Urinmenge wurde beobachtet. Dieser Test führte nur in zwei Drittel der Fälle zu einer klaren und richtigen Diagnose. Zudem war die 16-stündige Durstphase äusserst belastend.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

USB hat wieder mehr Patienten behandelt als USZ

Ob sich die höheren Behandlungszahlen am Universitätsspital Basel auch finanziell lohnen, wird Ende Mai bekannt.

image

Innovative Kinderradiologie am Kantonsspital Baden

Das Kantonsspital Baden setzt in seinem Neubau neue Massstäbe in der patientenfreundlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die Kinderradiologie bietet ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen und arbeitet eng mit anderen Fachbereichen zusammen.

image

Zurück auf die Beine: Stimulation hilft Gelähmten beim Gehen

Ein neues Verfahren aus Lausanne verbindet Rückenmark-Stimulation mit Robotik – um bei Querschnittgelähmten die Muskelkoordination zu verbessern. Das System könnte weltweit in Reha-Kliniken eingesetzt werden.

image

Leberkrebs: Ein weiterer Schritt zur vollständigen Remission?

Eine internationale Studie unter Genfer Leitung zeigt, dass ein genaues Intervall zwischen Immuntherapie und Lebertransplantation die Chancen auf eine vollständige Remission des hepatozellulären Karzinoms maximieren könnte.

image

Co-Creation im Gesundheitswesen

Zippsafe revolutioniert mit seinen Produkten das Gesundheitswesen. Ein platzsparendes Spindsystem optimiert Personalumkleiden, während ZippBag und ZippScan den Umgang mit Patienteneigentum verbessern. Erfahren Sie, wie die Produkte durch enge Zusammenarbeit mit Schweizer Spitälern entwickelt wurden.

image

Universitätsspital Basel: Kathrin Bourdeu wird COO

Die Fachärztin für Anästhesie und Operationsbetrieb-Managerin wird im Mai Rakesh Padiyath ablösen.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.