Wöchentlich fehlen bis zu 250 Mitarbeitende im Spital

Für das Kantonsspital Aarau ist die Personalsituation «prekär». Grund sei die Mehrbelastung und die Covid-bedingte Ausfallquote.

, 10. Dezember 2020 um 12:52
image
  • spital
  • coronavirus
  • arbeitswelt
  • pflege
  • ärzte
Im Kanton Aargau müssen immer mehr Eingriffe und Behandlungen am Kantonsspital Aarau (KSA) verschoben werden. Nur so könne das Spital die Versorgung von Akutpatienten aufrechterhalten. Dies, weil die Zahl der Covid-Fälle nicht abnimmt, wie das KSA mitteilt.
So mussten seit Beginn der zweiten Welle Ende Oktober bis zuletzt rund 600 geplante Operationen in Aarau verschoben werden. Diese Zahl werde sich weiter erhöhen, je länger die aktuelle Situation anhalte – mit nicht abzuschätzenden Gesundheitsfolgen für die betroffenen Patienten. Denn: «Die Reserven schwinden, um diese Operationen nachzuholen».

Medizin-Personal arbeitet bereits an der Belastungsgrenze

Das KSA berichtet gleichzeitig direkt von der Front: Die Personalsituation bezeichnet das grösste Aargauer Spital als «prekär» – auf Grund der Mehrbelastung und der COVID-bedingten Ausfallquote. Das medizinische Personal arbeite bereits an seiner Belastungsgrenze, hält das Spital mit seinen rund 4'600 Mitarbeitenden fest. 
Die Betreuung von COVID-Patienten erfordere zudem eine Umschichtung der personellen Ressourcen: Aktuell müssten täglich rund 80 Pflegefachkräfte aus Normalstationen auf COVID-Stationen oder der IPS aushelfen. Und rund 10 bis 15 Personen, die bei Normalbetrieb in der Anästhesiepflege und dem OP-Bereich arbeiten, stehen rund um die Uhr auf den Intensivstationen im Sondereinsatz.

Einsatzplanung als tägliche Herausforderung

Erschwerend hinzu komme die «generell angespannte Situation an der Personalfront». Die Ausfallquote beim medizinischen Personal sei aktuell «überdurchschnittlich» hoch: Derzeit fehlen im KSA krankheitsbedingt wöchentlich zwischen 200 bis 250 Mitarbeitende aus den patientennahen Bereichen – davon 60 bis 80 aufgrund COVID-bedingter Selbstisolation oder Quarantäne. 
Die Mehrbelastung des im Einsatz stehenden Personals sei auch im Kantonsspital Aarau gross, die Einsatzplanung unter diesen Bedingungen eine tägliche Herausforderung.
Offizielle Erfahrungswerte und Daten zeigen: Rund vier Prozent der in der Schweiz positiv getesteten Fälle müssen sich früher oder später in Spitälern behandeln lassen. Bei derzeit täglich 5'000 Fällen sind das täglich 200 Menschen oder wöchentlich über 1'000 Personen. Ein Sechstel davon wird erfahrungsgemäss intensivmedizinisch betreut; die mittlere Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation in der Schweiz beträgt 12 Tage.

Mehr Hospitalisierte als im Frühling

Anders als in der ersten Welle der Pandemie im Frühling hält die zweite Welle gemäss Kantonsspital seit nun über zwei Monaten an. Und zwar mit konstant hohen Fallzahlen und einer hohen Bettenbelegung mit COVID-Patienten auf den Normal- und IPS-Stationen. Die Zahl der hospitalisierten COVID-Patienten sei aber auch um ein Vielfaches höher als in der ersten Welle, ebenso die Zahl der Todesfälle, schreibt das Spital weiter.
Das KSA unternehme alle Anstrengungen, unter diesen erschwerten Bedingungen die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung weiterhin aufrecht zu erhalten. Noch könnten alle Notfall- und dringlichen Behandlungen durchgeführt werden. Doch die Lage im Spital in Aarau sei «ernst». Die Fallzahlen dürften nicht weiter steigen, sonst drohe «früher oder später zwangsläufig» eine Überlastung des Systems – und ein weiterer Verschleiss der bereits knappen Personalressourcen.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Weniger Regionalpolitik, mehr Tech: Wie das Spital neu gedacht werden soll

H+ will das Ende von Spitaltraditionen. Mit einer PwC-Studie skizziert der Verband ein Krankenhaussystem, das sich von regionaler Politik und bisheriger Planung verabschiedet – und zehntausende Stellen einspart.

image

Spitäler halbieren Verlust – aber zwei Drittel bleiben im Minus

2024 reduzierten die Schweizer Spitäler ihren Verlust – nach 777 Millionen Franken im Vorjahr waren es nun 347 Millionen. Aber immer noch schreiben fast zwei Drittel der öffentlichen Kliniken rote Zahlen. Die Zahl der Ärzte stieg stärker als jene des Pflegepersonals.

image

Pflege: Fatales Signal aus den USA

Die Regierung in Washington streicht Nursing aus der Liste der höheren Abschlüsse.

image

Solothurn: Brücke in den Schweizer Pflegealltag

Ein gemeinsames Programm der Solothurner Spitäler und der Volkshochschule soll ausländischen Pflegefachkräften den Einstieg erleichtern. Es kombiniert Sprachförderung, Weiterbildung und praktische Einsätze.

image

«Ich verstehe die Ungeduld der 200'000 Pflegefachleute im Land»

Heute gehen Pflegekräfte in Bern auf die Strasse: Sie fordern die konsequente Umsetzung der Pflegeinitiative. Auch GLP-Nationalrat und Pflegefachmann Patrick Hässig ist dabei.

image

Zürich: Verbände fordern Lohn-«Nachholrunde»

Die vier kantonalen Spitäler sollen ihren Rückstand mit dem Teuerungsausgleich 2026 wettmachen. Gefordert sind Lohnerhöhungen zwischen 1,8 und 2,4 Prozent.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.