Die Meinung «Pflege ist Frauensache» geistere nach wie vor in vielen Köpfen herum. Dies sagt Thomas Knill der «Aargauer Zeitung» (Print). Knill ist Dozent für Soziale Arbeit an der FH St. Gallen und sprach mit der Zeitung über das Thema Männer in der Pflege.
Die
AZ zeigt im Beitrag am Beispiel von Christian Beck, dass es auch anders geht. Beck startete vor knapp zehn Jahren als Pflegefachmann beim Kantonsspital St. Gallen (KSSG). Seit 2012 ist er
Stationsleiter Gastroenterologie und Hepatologie im Kantonsspital St. Gallen (KSSG). Er ist gelernter Automatiker.
Arbeitskollege wählte denselben Weg
Christian Beck schnupperte nach der Erstausbildung in verschiedenen Berufen – auch im Pflegebereich, wie er der «Aargauer Zeitung» schildert. «Es hat mir auf Anhieb gefallen. Ich konnte meinem medizinischen Interesse nachgehen und jenem intensiven Umgang mit Menschen, den ich bis anhin vermisste».
Beck hatte noch nie Bedenken, einen typischen Frauenberuf zu erlernen. Auch ein Arbeitskollege in der Elektromechanik wählte per Zufall denselben Weg. Dies habe ihm den Einstieg extrem erleichtert. «Er diente mir sozusagen als Vorbild und Türöffner.»
Gesprächsbedarf unter Männern
Mehr Männer in der Pflege wären erwünscht, sagt FH-Dozent Thomas Knill. «In der Pflege werden oft sehr intime Arbeiten ausgeführt. Manche Klienten würden sich wohler fühlen, wenn ein Mann diese Aufgaben übernimmt»
«Männer haben zudem eine pragmatischere Herangehensweise und ihnen fällt es tendenziell leichter, sich auf das Notwendigste zu konzentrieren», so Christian Beck, der einen Bachelor in Nursing und einen MAS in Management of Healthcare Institutions hat. Männer würden in Absprache mit den Patienten eher mal auf die Körperpflege verzichten, wenn diese nicht erwünscht sei und es die Hygiene nicht unbedingt erfordere.
Nebst dem Beitrag zum Fachkräftemangel profitiert das Pflegeteam laut dem KSSG-Stationsleiter von einer gemischten Gruppe: «Es gibt eine andere Atmosphäre und jeder kann seine besonderen Kenntnisse einbringen.»
Aufwertung der Pflege
Wichtig sei, dass sich das Bild des Pflegeberufs in der Gesellschaft ändert, sagt Beck weiter. Körperpflege, Essen servieren, Blutdruck messen und Spritzen verabreichen nehmen einen kleinen Teil im Berufsalltag ein. «Der Pflegeberuf umfasst ein beträchtliches Spektrum an verschiedensten Tätigkeiten und erfordert deshalb ein hohes Mass an Flexibilität.»
Prioritär gilt es, sich als Pflegefachkaft mit dem Erleben des Patienten auseinanderzusetzen, eine tragfähige Beziehung aufzubauen und dem Patienten zielgerichtet die pflegerischen Handlungen anzubieten, die er dann auch gewillt ist anzunehmen, so Pflegeprofi Beck.
Akademisierung und Spitalhierarchie
In den Niederlanden liegt der Anteil an männlichem Pflegepersonal laut Thomas Knill bei rund 23 Prozent. Dies liege auch daran, dass der Pflegeberuf dort ein hohes Ansehen geniesse und seit Jahrzehnten eine universitäre Ausbildung möglich ist.
«Der Akademisierung der Pflege in der Schweiz gewinne ich deshalb viel Gutes ab», so Knill. Die neuen Ausbildungswege, mit Bachelor- und Masterstudiengängen, würden sich auch in der Spitalhierarchie niederschlagen und die Pflege insgesamt besser positionieren. Zudem bieten sie Männern, die bei der Berufswahl stärker als Frauen auf Lohn und Karrierechancen achten, attraktive Promotionsmöglichkeiten.