Pflege: «Männer haben eine pragmatischere Herangehensweise»

Christian Beck ist gelernter Automatiker. Heute arbeitet er als Stationsleiter Gastroenterologie und Hepatologie im Kantonsspital St. Gallen (KSSG). Wie es dazu kam.

, 2. August 2017 um 09:21
image
  • pflege
  • gender
  • kantonsspital st. gallen
Die Meinung «Pflege ist Frauensache» geistere nach wie vor in vielen Köpfen herum. Dies sagt Thomas Knill der «Aargauer Zeitung» (Print). Knill ist Dozent für Soziale Arbeit an der FH St. Gallen und sprach mit der Zeitung über das Thema Männer in der Pflege.
Die AZ  zeigt im Beitrag am Beispiel von Christian Beck, dass es auch anders geht. Beck startete vor knapp zehn Jahren als Pflegefachmann beim Kantonsspital St. Gallen (KSSG). Seit 2012 ist er Stationsleiter Gastroenterologie und Hepatologie im Kantonsspital St. Gallen (KSSG). Er ist gelernter Automatiker.

Arbeitskollege wählte denselben Weg

Christian Beck schnupperte nach der Erstausbildung in verschiedenen Berufen – auch im Pflegebereich, wie er der «Aargauer Zeitung» schildert. «Es hat mir auf Anhieb gefallen. Ich konnte meinem medizinischen Interesse nachgehen und jenem intensiven Umgang mit Menschen, den ich bis anhin vermisste». 
Beck hatte noch nie Bedenken, einen typischen Frauenberuf zu erlernen. Auch ein Arbeitskollege in der Elektromechanik wählte per Zufall denselben Weg. Dies habe ihm den Einstieg extrem erleichtert. «Er diente mir sozusagen als Vorbild und Türöffner.»

Gesprächsbedarf unter Männern

Mehr Männer in der Pflege wären erwünscht, sagt FH-Dozent Thomas Knill. «In der Pflege werden oft sehr intime Arbeiten ausgeführt. Manche Klienten würden sich wohler fühlen, wenn ein Mann diese Aufgaben übernimmt»
«Männer haben zudem eine pragmatischere Herangehensweise und ihnen fällt es tendenziell leichter, sich auf das Notwendigste zu konzentrieren», so Christian Beck, der einen Bachelor in Nursing und einen MAS in Management of Healthcare Institutions hat. Männer würden in Absprache mit den Patienten eher mal auf die Körperpflege verzichten, wenn diese nicht erwünscht sei und es die Hygiene nicht unbedingt erfordere.
Nebst dem Beitrag zum Fachkräftemangel profitiert das Pflegeteam laut dem KSSG-Stationsleiter von einer gemischten Gruppe: «Es gibt eine andere Atmosphäre und jeder kann seine besonderen Kenntnisse einbringen.»

Aufwertung der Pflege

Wichtig sei, dass sich das Bild des Pflegeberufs in der Gesellschaft ändert, sagt Beck weiter. Körperpflege, Essen servieren, Blutdruck messen und Spritzen verabreichen nehmen einen kleinen Teil im Berufsalltag ein. «Der Pflegeberuf umfasst ein beträchtliches Spektrum an verschiedensten Tätigkeiten und erfordert deshalb ein hohes Mass an Flexibilität.» 
Prioritär gilt es, sich als Pflegefachkaft mit dem Erleben des Patienten auseinanderzusetzen, eine tragfähige Beziehung aufzubauen und dem Patienten zielgerichtet die pflegerischen Handlungen anzubieten, die er dann auch gewillt ist anzunehmen, so Pflegeprofi Beck. 

Akademisierung und Spitalhierarchie

In den Niederlanden liegt der Anteil an männlichem Pflegepersonal laut Thomas Knill bei rund 23 Prozent. Dies liege auch daran, dass der Pflegeberuf dort ein hohes Ansehen geniesse und seit Jahrzehnten eine universitäre Ausbildung möglich ist. 
«Der Akademisierung der Pflege in der Schweiz gewinne ich deshalb viel Gutes ab», so Knill. Die neuen Ausbildungswege, mit Bachelor- und Masterstudiengängen, würden sich auch in der Spitalhierarchie niederschlagen und die Pflege insgesamt besser positionieren. Zudem bieten sie Männern, die bei der Berufswahl stärker als Frauen auf Lohn und Karrierechancen achten, attraktive Promotionsmöglichkeiten.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Pflege im Fokus: Zentralschweizer Spitäler starten Video-Kampagne

Die Spitäler der Zentralschweiz lancieren eine Video-Kampagne, in der Pflegende selbst Regie führen.

image

Was tun gegen die Personalnot? Mehr Macht für die Pflege.

In Frankreich werden die Kompetenzen der Pflegefachleute bald drastisch erweitert. Die Nationalversammlung hat ein entsprechendes Gesetz durchgewunken – einstimmig.

image

Covid: Eine Patentlösung für Pflegeheime gab es nicht

Die Pflegeheime standen in der Pandemie an vorderster Front. In Genf ging nun eine Studie der Frage nach: Was hätten sie besser machen können?

image

Pflege plus Integration: Freiburg startet Pilotprojekt

Der Kanton reagiert auf den Pflegepersonal-Mangel mit einer Spezial-Ausbildung: Sie verbindet Sprachunterricht mit beruflichem Einstieg in Pflegeheimen.

image
Die Schlagzeile des Monats

«Niemand kam und sagte: Schön bist du da»

In unserer Video-Kolumne befragen wir Experten aus der Branche zu aktuellen Themen. Diesmal: Alessia Schrepfer, Gründerin und Co-Chefin von WeNurse.

image

Die Ankündigung der Zürcher Spitäler bezüglich Temporärarbeit ist kontraproduktiv

Die Absprache der Zürcher Spitäler, auf Temporärarbeitende zu verzichten, ist kontraproduktiv und gefährdet die Patientensicherheit. Die Temporärarbeit ist ein bewährtes Mittel gegen den Fachkräftemangel, indem Pflegekräfte flexibel bleiben und jederzeit in den Beruf wieder einsteigen können.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.