Berner Verfahren gegen Leberkrebs weltweit eingeführt

Neuartige bildgesteuerte Tumorentfernung bei Lebertumoren ist laut einer aktuellen Studie «sicher, gewebeschonend und effizient». Die innovative Technik wurde am Inselspital und an der Universität Bern entwickelt.

, 31. Oktober 2019 um 10:49
image
  • insel gruppe
  • forschung
Leberzellenkrebs bildet kleine, schwer erkennbare und kaum zugängliche Tumore, die mit herkömmlichen OP-Techniken nicht entfernt werden können. Zur Verfügung steht den Chirurgen und den interventionellen Radiologen eine Methode, die mit einer Behandlungssonde von der Bauchdecke direkt zum Tumor führt – und ihn dort mit Mikrowellen verkocht. 
Ohne zuverlässige Planung und Instrumenten-Navigation ist diese Methode aber heikel: Grosse Blutgefässe oder die Lunge könnten verletzt werden. Bei über der Hälfte der Leberzellenkrebs-Erkrankungen liegen die Tumoren schwierig. Weiter kann die Tumorentfernung nicht sofort überprüft und nicht ausreichend genau festgestellt werden. 

Zwei- bis dreimal wöchentlich im Einsatz

Ein interdisziplinäres Team der Universität Bern und des Berner Inselspitals (Insel Gruppe) haben deshalb ein neuartiges Navigationssystem für die Tumorbehandlung entwickelt. Es ermöglicht mit einem technisch aufwendigen Bildgebungsverfahren aus MT und CT eine exakte Führung der Mikrowellen-Sonde zum Tumor – in Echtzeit-Messung. 
Sowohl Patienten mit Leberkrebs als auch mit Streutumoren von Darmkrebs und anderen Krebsarten werden so behandelt. Die vom Berner Spin-Off Cascination zur Marktreife entwickelte Technologie ist mittlerweile weltweit eingeführt, wie die Insel Gruppe schreibt. Die bildgesteuerte Tumorentfernung kommt am Inselspital heute zwei- bis dreimal wöchentlich zum Einsatz. Insgesamt hat das Spital knapp 600 Lebertumore mit diesem in Bern entwickelten Ablations-Navigationssystem behandelt. 
image

Das Vorgehen

Der Patient wird vor dem Eingriff in eine Vakuum-Matratze gebettet, die seine Position exakt fixiert. Das Bildsystem zeigt die genaue Lage der Tumoren im Organ vor dem Einstich, während dem Einsatz der Sonde und zur abschliessenden Erfolgskontrolle. Navigationspunkte an der Bauchwand und ein präzises Zielsystem für die Behandlungssonde ermöglichen die computerassistierte, exakte Umsetzung des geplanten Behandlungsweges und die Verkochung des Tumors mit Mikrowellenenergie. Nach dem Eingriff sieht das Behandlungsteam sofort, ob das Tumor-Gewebe vollständig zerstört werden konnte und kann nötigenfalls Tumorreste entfernen.

«Sehr geringes Komplikationsrisiko»

Das Berner Forschungsteam hat in einer Studie am Inselspital nun auch ausgewertet, wie sicher, therapeutisch wirksam und wirksam die Methode ist. Dazu untersuchte es 174 Ablationen von Leberzellkrebs mit bildgeführter Navigation zwischen 2015 und 2017. Die Genauigkeit der Platzierung der Sonde und der Grad der Tumorentfernung wurden jeweils direkt nach dem Eingriff überprüft.
«Unsere Analyse ergab, dass wir insgesamt 96.3 Prozent der Tumoren effizient entfernen konnten», sagt Erstautorin Anja Lachenmayer, Oberärztin Viszerale Chirurgie am Bauchzentrum des Inselspitals. Die Sonde wich dabei im Schnitt nur 3.2 Millimeter vom idealen Behandlungsort ab. Dabei war das Komplikationsrisiko mit 5.9 Prozent sehr gering, davon 0.9 höhergradige Komplikationen.

Patienten können schnell wieder nach Hause

Durch den minimal belastenden Eingriff konnten Patienten das Spital bereits am Folgetag verlassen. «Wir können belegen, dass die bildgeführte Mikrowellen-Ablation Lebertumoren sicher, gewebeschonend und effizient entfernt», sagt Lachenmayer weiter. Dabei erkennen die Ärzte mit dem neuen System sogar Tumore, die mit konventioneller Bildgebung unsichtbar seien und könnten nun auch an bisher unzugänglichen Orten behandeln.
Erst vor kurzem haben die Viszeralchirurgin Anja Lachenmayer und der interventionelle Radiologe Martin Maurer ihre Erfahrungen auf der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für computerassistierte Leberchirurgie ECALSS vorgestellt.  
Anja Lachenmayer,  Pascale Tinguely,  Martin H. Maurer,  Lorenz Frehner,  Marina Knöpfli,  Matthias Peterhans,  Stefan Weber,  Jean‐François Dufour, Daniel Candinas,  Vanessa Banz: «Stereotactic image‐guided microwave ablation of hepatocellular carcinoma using a computer‐assisted navigation system», in: «Liver Cancer». Juli 2019.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

«Eine frühzeitige Blutverdünnung nach einem Schlaganfall ist sicher und wirksam»

Im Interview erklärt Neurologe Urs Fischer, Chefarzt am Inselspital Bern, was die Ergebnisse der CATALYST-Studie für die klinische Praxis bedeuten – und warum alte Leitlinien überdacht werden sollten.

image

Das Ludwig-Institut bleibt in Lausanne

Zehn Jahre nach der Gründung der Partnerschaft mit dem CHUV und der Uni Lausanne wird das Ludwig-Institut in die Universität integriert. Es soll mehr über Immuntherapie und Tumor-Mikroumgebung geforscht werden.

image

«Wir erreichen heute Areale, die früher unzugänglich waren»

Thomas Gaisl vom USZ über Präzisionsgewinne, Patientennutzen und technische Grenzen der robotisch-assistierten Bronchoskopie – das Interview.

image

Internationale Anerkennung für Schweizer Lungenkrebs-Forscherin

Solange Peters, Leiterin der medizinischen Onkologie am CHUV, erhält den Paul A. Bunn, Jr. Scientific Award, eine der höchsten internationalen Auszeichnungen für Lungenkrebsforschung.

image

Sind medizinische Studien unfair?

Studiendesigns sollen fairer und realistischer gestaltet werden. Das fordern Forschende des Universitätsspitals Basel – und schlagen ein neues Konzept vor.

image

Fortsetzung bis 2028: Nationale Plattform geht in die nächste Runde

Nach einer erfolgreichen Pilotphase wird die nationale Koordinationsplattform Klinische Forschung (CPCR) bis 2028 fortgeführt.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.