Berner Chirurg: Es war fahrlässige Tötung

Ein Patient starb wegen eines unentdeckten Nahtlecks nach der Operation seines Darms. Schuld daran war der Chirurg, stellt nun auch das Bundesgericht fest.

, 19. Mai 2021 um 13:16
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Die Entfernung eines Stücks Dickdarm mittels Schlüssellochtechnik gelang problemlos. Doch danach klagte der Patient über heftig Bauchschmerzen. Nach Laborkontrollen und einer Computertomographie kam der verantwortliche Chirurg zum fatalen Schluss: An der Darmnaht könne es nicht liegen. Der Patient erhielt noch mehr Schmerz- und Beruhigungsmittel – obwohl diese nicht nützten.

Loch in der Naht führte zu Bauchfellentzündung

Am Morgen des dritten Tags nach der Operation lag der Patient tot im Bett. Todesursache war ein fünf Millimeter grosses Leck in der Darmnaht. Daraus floss Darminhalt in die Bauchhöhle. Der gesamte Bauchraum entzündete sich und der Patient starb daran.
Ein Berner Regionalgericht befand, dass sich der Chirurg der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hatte und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 3900 Franken. Der Chirurg zog das Urteil weiter ans Obergericht des Kantons Bern. Dieses erhöhte die Strafe sogar auf 6000 Franken.

Chirurg hätte Gefahr erkennen müssen

Beim erneuten Weiterzug, dieses Mal ans Bundesgericht, forderte der Chirurg einen Freispruch. Die Richter hätten nicht zeigen können, was er hätte tun können, damit sein Patient nicht gestorben wäre. Doch das Bundesgericht befand, dass die vorgängigen Urteile korrekt waren.
Die Beurteilung der Computertomographie habe den «objektiven Anforderungen an die ärztliche Kunst» nicht genügt. Im Bauch des Patienten habe es ungewöhnlich viel freie Luft gehabt. Diese habe der Chirurg als «normalen postoperativen Befund 48 Stunden nach der laparoskopischen Operation» beurteilt. Was «nach dem allgemeinen fachlichen Wissensstand nicht vertretbar» sei, urteilten die Richter.

Rund 3000 solche Operationen gemacht

Der Chirurg hätte weitere Untersuchungen machen müssen, insbesondere weil der Patient trotz allen Massnahmen heftige Schmerzen hatte. Stattdessen erklärte er dem Patienten damals, es gebe keinen Handlungsbedarf.
Das Gericht befand, dass der Chirurg, der bereits 2000 bis 3000 Patienten auf diese Weise operiert hatte, bestens gewusst hätte, was für Untersuchungen er noch hätte anordnen können, um das Leben des Patienten zu retten.

Erneute Operation hätte wahrscheinlich das Leben gerettet

Hätte er pflichtgemäss die indirekten Anzeichen erkannt oder hätte er zumindest weitere ärztliche Untersuchungen durchgeführt, hätte er eine notfallmässige Reoperation der Darmnaht vornehmen können, «womit der Tod des Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit abgewendet worden wäre.»
Der Chirurg argumentierte hingegen mit einem Gutachten, wonach die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten bei einer möglichst raschen erneuten Operation nur 80 Prozent betragen hätte. Später hätte sie sogar unter 60 Prozent gelegen. Er wollte deshalb vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen werden. Das Bundesgericht bestätigte hingegen den Schuldspruch des Regional- und des Obergerichts: Der Fehler des Chirurgen war fahrlässige Tötung.
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