Grosse Studie zeigt: Ärzte werden besser bewertet als Ärztinnen

Ärztinnen bekommen im Schnitt weniger gute und sehr gute Bewertungen als männliche Mediziner – sowohl bei der Bewertung durch Patienten als auch durch andere Ärzte.

, 14. Februar 2019 um 14:15
image
  • ärzte
  • praxis
  • gender
Inzwischen stellen Frauen die Mehrzahl der Studierenden in der Humanmedizin. Und auch die ambulante Medizin wird mehr und mehr weiblicher. Doch wie wird die Leistungen von Ärztinnen im Vergleich zu Ärzten wahrgenommen? Dieser Frage ging eine Studie der Hamburger Stiftung Gesundheit in Deutschland nach. 
Das Fazit: «Ob Humanmedizin, Zahnmedizin oder psychologische Psychotherapie, ob in der eigenen Praxis oder angestellt tätig: Frauen stehen bei der Beurteilung ihrer Leistung stets im Schatten ihrer männlichen Kollegen», fasst Forschungsleiter Konrad Obermann die Studie zusammen. Obermann arbeitet am Mannheimer Institut für Public Health (MIPH) der Universität Heidelberg. 

Patienten sind zufriedener mit Männern

In der Zufriedenheit ihrer Patienten hatten die Männer in fast allen Feldern und Tätigkeitsarten die Nase deutlich vorn. Lediglich bei den angestellten psychologischen Psychotherapeuten konnten die Frauen mit ihren männlichen Kollegen gleichziehen. Dies, obwohl der Frauenanteil bei über drei Viertel liegt.
Hier stellen sich die Studienautoren um Obermann vom MIPH die Frage, ob es immer noch traditionelle Erwartungsmuster und eine kulturell geprägte Verknüpfung von Geschlecht und Qualität gebe?

Auch Frauen bewerten Frauen schlechter

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Bewertung der medizinischen Reputation und Fachkompetenz durch Kollegen ihres jeweiligen Fachs. Auch hier: Die Frauen schneiden durchweg erheblich schlechter ab. Bei den Humanmedizinern erhielten mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen positive Bewertungen: Ärzte: 9,6 Prozent, Ärztinnen: 4,4 Prozent.
Mehr noch: Männer schneiden sogar in Fachgruppen besser ab, in denen grösstenteils Frauen tätig sind und in denen demzufolge auch der Grossteil der Bewertungen von Kolleginnen stammt: Bei den psychologischen Psychotherapeuten liegt die Frauenquote bei 74 Prozent – trotzdem erhielten in diesem Fachbereich 6,2 Prozent der Männer eine besonders positive Wertung, aber lediglich 3,9 Prozent der Frauen.
image

Statistische Verzerrungen?

Die Antwort, warum Ärztinnen in der Kollegenwertung hinter den Ärzten liegen, könnte in statistischen Verzerrungen liegen, wie die Forscher vermuten. Es gebe mehr ambulant tätige Mediziner als Medizinerinnen. Und womöglich stimmten Männer eher für Männer als für Frauen. Das könnte einen Teil der Schiefverteilung erklären.
Dieser Ansatz erkläre allerdings nicht, warum auch bei den weiblichen psychologischen Psychotherapeuten, die ja in ihrem Berufsfeld zahlenmässig stark dominieren, Frauen in eigener Praxis seltener mit hoher Qualität ausgezeichnet werden als Männer. Vielleicht führt, so die Forscher weiter, «eher männerspezifisches Verhalten wie selbstsicheres und paternalistisches Auftreten dazu, dass Patienten und Kollegen gleichermassen damit quasi automatisch eine Kompetenzvermutung verbinden?».

Frauen sind nicht die schlechteren Ärzte

Klar ist: Es gibt einige Studien, die zeigen, dass Frauen keineswegs schlechtere Medizin als Männer betreiben. So lag die Sterblichkeit bei älteren Patienten niedriger, wenn diese von Ärztinnen und nicht von Ärzten behandelt worden waren. Es gibt zudem eine Debatte, ob Frauen auf Grund einer höheren empathischen Zuwendung und einem stärkeren «patient-centered behaviour» sogar eher bessere Ärzte seien.
Die Studie «Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2018» der Hamburger Stiftung Gesundheit umfasst die Grundgesamtheit aller rund 240'000 Humanmediziner, Zahnmediziner und psychologischen Psychotherapeuten in Deutschland, die aktiv in der ambulanten Versorgung tätig sind. 54 Prozent davon sind Männer. 

  • Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2018: Gender in der ambulanten Medizin: Die Wahrnehmung der Leistungen von Ärztinnen und die demographische Entwicklung.
  • Leistungen von Frauen werden weniger gewürdigt. Studie «Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2018»

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Migros: 1,3 Milliarden Umsatz im Gesundheitswesen

Der Detailhandels-Konzern baut sein Healthcare-Netzwerk auch nach dem Abgang von Fabrice Zumbrunnen aus.

image

Ex-KSW-Chefarzt lanciert interventionell-radiologische Tagesklinik

Christoph Binkert verbündet sich mit dem Medizinisch-Radiologischen Institut MRI in Zürich.

image

In der Schweiz sind 1100 Ärzte mehr tätig

Die Arztzahlen in der Schweiz haben ein neues Rekord-Niveau erreicht: Es gibt nun 41'100 Berufstätige.

image

Der Erfinder des Ledermann-Implantats ist tot

Er war ein bekannter Implantologe, später auch Hotelier und Schriftsteller. Nun ist Philippe Daniel Ledermann 80-jährig gestorben.

image
Gastbeitrag von Peter Baumgartner

Ambulante Psychiatrie: Ohne neue Berufsprofile und KI wird’s kaum gehen

Der Fachkräftemangel in der Psychiatrie verlangt einen massiven Umbau der Versorgung. Aber wie? Ein realistisches Zukunftsszenario.

image

Und wie schliessen wir dann das EPD an unser KIS an?

Fast 400 Millionen Franken nimmt der Bund in die Hand, um das Gesundheitswesen zu digitalisieren. Zugleich nimmt er die Software-Anbieter und Spitäler in die Pflicht.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.