Nach der Entscheidung im vergangenen September,
den Numerus Clausus abzuschaffen, steht eine entscheidende Frage im Raum: Wie könnte das Zulassungsverfahren für das Medizinstudium künftig gestaltet werden?
Josef Widler, Arzt und Zürcher Kantonsrat der Mitte-Partei, hatte diese Idee ins Spiel gebracht. In einem parlamentarischen Vorstoss fordert er, dass im Kanton Zürich ein mindestens sechsmonatiges Pflegepraktikum.
«Medizinstudierende kommen zu spät in Kontakt mit der Arbeitswelt, in der sie sich später zurechtfinden müssen», erklärte Widler seinen Vorstoss in der
«NZZ»: Das Praktikum solle den Studierenden einen frühen Einblick in die Realität des Gesundheitswesens geben.
«Diese grosse Zahl an zusätzlichen Plätzen kann von den Zürcher Gesundheitsinstitutionen nicht bereitgestellt werden.»
Die hohe Aussteigerquote bei Ärzten liege weniger daran, dass Mediziner nach dem Studium mit dem Leid oder Tod von Patienten überfordert wären. Vielmehr liege die Ursache in den schlechten Arbeitsbedingungen. Zugleich sei ein obligatorisches Pflegepraktikum nicht nur kostenintensiv, sondern auch praktisch kaum umsetzbar: Im Kanton Zürich wären dazu jährlich 101'000 zusätzliche Praktikumstage erforderlich.
«Diese grosse Zahl an zusätzlichen Plätzen kann von den Zürcher Gesundheitsinstitutionen nicht bereitgestellt werden», heisst es weiter. Bereits jetzt stehen die Spitäler unter erheblichem Druck, genügend Praktikumsplätze für die klinische Ausbildung während des Medizinstudiums bereitzustellen und die ohnehin knappen Kapazitäten weiter auszubauen. Als Nächstes berät nun der Kantonsrat über das Anliegen.
VSAO gegen Pflegepraktikum
Der Verband Schweizer Assistenz- und Oberärzte begrüsst den Entscheid der Zürcher Kantonsregierung. Auch der VSAO sieht den Zwang, vor dem Medizinstudium als Selektionselement ein sechsmonatiges Pflegepraktikum zu absolvieren, «als kontraproduktiv und schwer umsetzbar»,
wie der Verband in einem Positionspapier schreibt.
Als «standardisiert und fair» erachtet der VSAO hingegen den Numerus clausus, wobei dieser «überarbeitet werden sollte, so dass die Sozialkompetenz und die Motivation für den Arztberuf auf eine validierte Art getestet werden können.»
Die an den Universitäten Genf, Lausanne und Neuenburg angewandte Methode, die Zahl der Studierenden über Prüfungen nach dem ersten und/oder zweiten Studienjahr zu reduzieren, gäbe zwar vielen Interessierten die Möglichkeit, das Studium zu beginnen, allerdings gehe durch die Selektion während des Studiums auch viel Zeit und Geld verloren.