Notfallpauschalen: FMH und Prio.Swiss haben eine Lösung

Einerseits sollen angestellte Ärztinnen und Ärzte die Zuschläge ebenfalls erhalten. Andererseits fahnden die Krankenkassen nach Fällen, wo aus den Inkonvenienzpauschalen ein Business gemacht wird.

, 20. Dezember 2024 um 15:14
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«Konstruktiver Dialog»: FMH-Präsidentin Yvonne Gilli, Prio.Swiss-CEO Saskia Schenker  |  Bilder: PD
Die Rede ist von einem «konstruktiven Dialog» und einer «pragmatischen Lösung»: Die Ärztegesellschaft und der neue Krankenkassen-Verband Prio.Swiss haben eine Einigung erzielt beim Problem der Notfall-Vergütungen. Danach wird kein Unterschied mehr gemacht zwischen selbständig und unselbständig erwerbenden Ärztinnen und Ärzten. «Gleichzeitig werden Fälle in denen der Verdacht besteht, dass ein Geschäftsmodell auf der vertragswidrigen Abrechnung von Inkonvenienzpauschalen basiert, konsequent verfolgt», heisst es in der gemeinsamen Mitteilung von FMH, Prio.Swiss und dem Haus- und Kinderärzte-Verband Mfe.
«Die Lösung ermöglicht es, die qualitativ hochstehende ärztliche Notfallversorgung durch Arztpraxen zu gewährleisten», kommentiert die Verbindung der Ärzteschaft die Einigung. «Gleichzeitig setzt sie auf eine korrekte und einheitliche Anwendung der Tarife, deren Kontrolle in der Verantwortung der einzelnen Krankenversicherer liegt.»

Wer hat auffällig viele Pauschalen?

Konkret werden sich die Mitglieds-Kassen von Prio.Swiss auf Fälle konzentrieren, in denen der Verdacht besteht, dass ein Geschäftsmodell auf der vertragswidrigen Abrechnung von Inkonvenienzpauschalen basiert; es geht also insbesondere um Praxisunternehmen, die solche Pauschalen auffällig oft verrechnen.
Zugleich sollen Ärzte, die als Angestellte arbeiten, künftig Notfallpauschalen abrechnen können.
Als nächstes bilden Prio.Swiss und FMH unter Einbezug des Haus- und Kinderärzte-Verbands Mfe eine Arbeitsgruppe. Diese soll eine Lösung für die Anwendung der Notfall-Inkonvenienzpauschalen im Tardoc erarbeiten, die es auch angestellten Ärztinnen und Ärzten ermöglicht, ihre Notfall-Leistungen angemessen zu verrechnen. Ziel ist, dass die gemeinsame Tariforganisation OAAT bereits Ende Januar 2025 dem Bundesrat eine Lösung zur Genehmigung vorlegen kann.

Entspannung bei Rückforderungen

Die neue Vereinbarung wurde nötig, weil das Bundesgericht Ende Juni eine neue Interpretation der Entschädigungen vornahm. Es kam zum Schluss, dass zusätzliche Pauschalen nur abgerechnet werden dürfen, wenn die Konsultation ausserhalb der regulären Sprechstunden stattgefunden hat. Doch eine Permanence, die regulär beispielsweise bis 23 Uhr geöffnet hat, kann nicht automatisch jenseits der Bürozeiten höhere Sätze verlangen. Die Dringlichkeits-Inkonvenienz-Pauschale sei für Fälle geschaffen worden, bei denen ein Hausarzt ausserhalb seiner Praxiszeit einen kurzfristigen Sondereinsatz leisten muss, entschied das oberste Gericht. Aber nicht für Permanence- oder Walk-In-Praxen.
Obendrein befand das Gericht, dass der Gesetzgeber diese Entschädigungen nur für selbständige Ärzte geschaffen habe – aber nicht für Angestellte. Allerdings arbeiten heute auch in der Grundversorgung viele Mediziner angestellt in Praxen, so dass das Urteil weitere Probleme schuf. Verschärft wurde die Lage, weil einige Krankenkassen begannen, die ausbezahlten Zusatz-Entschädigungen auf bis zu fünf Jahre zurückzuverlangen.
Wie der Verband Mfe auf Linkedin präzisierte, haben die Versicherer «eingewilligt, auf Rückforderungen von durch angestellte Ärztinnen und Ärzte abgerechnete Notfallpauschalen zu verzichten». Der Verband sei erleichtert über diese pragmatische Lösung: «Sie zeigt, dass der Verhandlungsweg zwar oftmals steinig ist, aber zielführend und erfolgreich.»
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