Lohnangabe: Einzig das Kispi bricht das Tabu

Schon in der Stellenausschreibung steht das Gehalt: So viel Transparenz geht den meisten Spitälern zu weit. Warum eigentlich?

, 15. Oktober 2025 um 08:29
letzte Aktualisierung: 18. November 2025 um 08:31
image
Absolute Lohntransparenz: Derzeit ist das nur im Kinderspital Zürich üblich. | KI-Bild
«Dein Bruttolohn liegt bei einem 100%-Pensum voraussichtlich zwischen 160'000 und 180'000 Franken pro Jahr»: So offen informiert das Kinderspital Zürich schon in seinen Stelleninseraten über den Lohn, den es beispielsweise einer Oberärztin oder einem Oberarzt in der Kinder-Nephrologie zahlt.
Seit 2014 publiziert das Kinderspital in fast allen Stellenanzeigen den Lohn. So viel Transparenz ist im Schweizer Gesundheitswesen unüblich – obwohl das Kispi seit Jahren gute Erfahrungen damit macht.
Désirée Nater, die im Kinderspital für das Recruiting verantwortlich ist und gemeinsam mit Sonja Auf der Maur die Lohntransparenz in den Stelleninseraten eingeführt hat, sagt sogar ganz klar: «Für uns ist es inzwischen unvorstellbar, ohne Angaben des Lohnranges zu rekrutieren; die Lohnbedingungen werden damit von Anfang an klargestellt.»

«Angenehm, nicht verhandeln zu müssen»

Tatsächlich finden es die Bewerberinnen und Bewerber sehr angenehm, dass sie nicht über den Lohn verhandeln müssen. «Weil klar ist, dass die Löhne nach einem einheitlichen System berechnet werden, unabhängig davon, ob jemand neu ins Team kommt oder bereits dazugehört», erklärt Désirée Nater. «Das schafft Vertrauen.»
Dieses kann so weit gehen, dass einzelne Kandidatinnen und Kandidaten sogar mit einem tieferen Lohn zufrieden sind, als sie sich anfänglich vorgestellt haben. Einfach deshalb, weil sie wissen dass andere in der gleichen Funktion auch nicht mehr verdienen.
Désirée Nater berichtet, dass sich nur vereinzelt Bewerbende mit deutlich höheren Lohnvorstellungen melden und nach Verhandlungsspielraum fragen. «Da es diesen Spielraum nur in Ausnahmefällen gibt, klärt sich oft schon vor einer Bewerbung, ob die Rahmenbedingungen passen, was beiden Seiten Zeit spart.»
So viel Lohntransparenz gibt es in den meisten anderen Spitälern nicht.

Hirslanden: «Unüblich»

Claude Kaufmann, der Sprecher der Privatspital-Gruppe Hirslanden, stellt zu Recht fest: «Es entspricht derzeit der gängigen Praxis im Schweizer Gesundheitswesen, auf die Angabe von Löhnen in Stelleninseraten zu verzichten.»
Er begründet das damit, dass pauschale Angaben zum Lohn kaum aussagekräftig wären. Weil die Löhne auch von der Qualifikation, der Erfahrung oder der Branchenkenntnis abhängig seien. Hirslanden ist sich allerdings bewusst, dass in der EU die Lohnangabe im Stelleninserat schon bald zur Pflicht wird (siehe Kasten). «Wir prüfen, ob und in welcher Form eine entsprechende Angabe künftig sinnvoll sein könnte.»

In der EU bald Vorschrift

In der EU sollen Firmen künftig keine intransparenten Lohnverhandlungen mehr führen dürfen. Spätestens ab Mitte 2026 müssen in den europäischen Ländern die Arbeitgeber über den Einstiegslohn oder die Lohnspanne der ausgeschriebenen Stelle informieren, sei es in der Stellenausschreibung oder bereits vor dem Vorstellungsgespräch.

Stadtspital Zürich: «Zu vielfältig»

Das Stadtspital Zürich verzichtet in seinen Stelleninseraten bewusst auf die Angabe von Lohnbandbreiten oder Anfangslöhnen. Denn die beruflichen Hintergründe und Erfahrungen der Bewerbenden seien zu vielfältig. «Stattdessen setzen wir auf persönliche Gespräche, in denen wir die individuelle Einordnung im städtischen Lohnsystem transparent darlegen», erklärt Mediensprecher Tobias Faes.

Lindenhof fürchtet Enttäuschungen

Die Lindenhofgruppe will keine Lohnangaben in Stelleninseraten machen, weil das bei Bewerbenden falsche Erwartungen wecken und zu Enttäuschungen führen könnte. Bisher seien von Bewerbenden auch noch keine derartigen Wünsche genannt worden, teilt die Medienstelle mit.

USB: «Missverständlich»

Ähnlich begründet das Universitätsspital Basel (USB), warum es in seinen Stelleninseraten keinen Lohn bekannt gibt: «Der Lohn hängt stark vom Profil, Alter und der relevanten Erfahrung der Kandidatin oder des Kandidaten ab. Die Lohnbänder oder einen Einstiegslohn zu kommunizieren wäre daher irreführend oder missverständlich.» Die Kandidatinnen im Kandidaten würden bei den Rekrutierungsgesprächen über das Lohnsystem und die entsprechende individuelle Einreihung informiert, sagt Mediensprecherin Caroline Johnson gegenüber Medinside.
  • arbeitswelt
  • lohn
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Der Mangel an selbständigen Ärzten wird sich nicht bessern

Eine Befragung – auch von Medizinstudenten – zeigt, dass ein unnötiger Flaschenhals bei der Organisation der Praktikumsplätze besteht.

image

Grüne wollen Gehälter von Gesundheitsmanagern deckeln

Nationalrätin Sophie Michaud Gigon hat eine Motion eingereicht, welche die Gehälter von Krankenkassenmanagern begrenzen soll. Die Regelung soll auch für andere Führungspositionen im Gesundheitswesen gelten.

image

Temporärarbeit in der Pflege: (K)ein Problem!

«Zu teuer, zu flexibel, zu problematisch?» Die Kritik an Temporärarbeit reisst nicht ab. Doch David Paulou, Direktor der grössten Schweizer Personalberatung im Gesundheitswesen, hält dagegen – mit Fakten, die das gängige Bild infrage stellen.

image

Raus aus der Chirurgie, rein in die Privatwirtschaft

«Aufwand und Ertrag stimmen in der Chirurgie nicht», sagt der ehemalige Chirurg Mathias Siegfried. Er zog die Reissleine und wechselte in die Privatwirtschaft.

image

«Nulltoleranz» gegenüber Aggressionen am Spital Wallis

68 Prozent mehr Fälle von asozialem Verhalten in zwei Jahren – Eine neue Richtlinie und eine Sensibilisierungskampagne sollen künftig das Personal vor Übergriffen durch Patienten und Angehörige schützen.

image

Chirurgin oder Mutter? Wenn Karriere und Kinderwunsch kollidieren

Lange Arbeitszeiten, starrer Ausbildungsweg, kaum Spielraum für Teilzeit: Junge Chirurginnen verschieben oft ihre Mutterschaft. Das hat Konsequenzen – auch fürs Fachgebiet.

Vom gleichen Autor

image

Ärzteumfrage zeigt: Spitäler arbeiten zu wenig an Ambulantisierung

Ein Wechsel zu mehr ambulanten Behandlungen könnte den Fachkräftemangel entschärfen. Nur: Offenbar fehlt vielen Spitälern eine klare Strategie für die Umstellung.

image

Insel-Kinderklinik und Medgate eröffnen Kindernotfall-Telefon für Bern

Die Kids-Line von Medgate gibt es nun auch im Kanton Bern. Die Notfall-Hotline soll die Kinderklinik entlasten.

image

Ein Oensinger Gesundheitszentrum betreibt den ersten «Medicomat» in der Schweiz

Das Gerät im Vitasphère-Gesundheitszentrum funktioniert wie ein Getränkeautomat. Doch statt Flaschen gibt der Automat rund um die Uhr Medikamente heraus.