ETH und USZ: Gängiges Medikament zeigt Wirkung gegen Glioblastome

In Tests schaffte es ein Antidepressivum, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und Zellen des bösartigen Hirntumors wirksam zu bekämpfen.

, 22. September 2024 um 22:34
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MRI-Aufnahme eines Glioblastoms vor und nach Operation  |  Bild: Ars Neurochirugica / Wikimedia Commons
Ein Team um den ETH-Molekülarbiologen Berend Snijder hat einen Wirkstoff gefunden, der Glioblastome zumindest im Labor wirksam bekämpft. Dabei handelt es sich um Vortioxetin und verwandte Substanzen.
Das Antidepressivum, seit 2016 in der Schweiz zugelassen. Es kann die Blut-Hirn-Schranke passieren – eine Anforderung, an der die Krebsmedikamente vielfach scheitern.
In Zürich zeigten nun Tests von Antidepressiva, Mitteln gegen Parkinson sowie Antipsychotica, dass einige der Antidepressiva überraschend wirksam gegen die Tumorzellen waren – allen voran Vortioxetin. Auch in Versuchen an Mäusen mit einem Glioblastom zeigte das Medikament eine gute Wirksamkeit, besonders in Kombination mit der aktuellen Standardbehandlung.
  • Soyhon Lee, Tobias Weiss, Marcel Bühler, … Berend Snijder, et al.: «High-throughput identification of repurposable neuroactive drugs with potent anti-glioblastoma activity», in: «Nature Medicine», September 2024.
  • doi: 10.1038/s41591-024-03224-y
«Der Vorteil von Vortioxetin ist, dass es bereits zugelassen und sehr kostengünstig ist», sagt Michael Weller, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsspital Zürich; er war Mitautor der Studie.
Das Medikament könnte also dereinst die Standardtherapie ergänzen. Dann hätte man erstmals seit Jahrzehnten einen Wirkstoff gefunden, der die Behandlung des Glioblastoms einen grossen Schritt voranbringt.

130 Mittel getestet

Zur neuen Einsicht kam die ETH-Postdoktorandin Sohyon Lee gemeinsam mit Tobias Weiss, Oberarzt der Klinik für Neurologie am USZ – und zwar dank der Screening-Plattform der Pharmakoskopie, welche Forschende der ETH Zürich in den vergangenen zehn Jahren entwickelt haben.
In ihrer Studie konzentrierte sich Soyhon Lee, Tobias Weiss und Kollegen vor allem auf neuroaktive Substanzen, die die Blut-Hirn-Schranke passieren. Insgesamt testeten sie mehr als 130 verschiedene Mittel an Tumorgewebe von 40 Patientinnen und Patienten, die kurz zuvor am Universitätsspital Zürich operiert worden waren. Zugleich nutzten sie ein Computermodell, um über eine Million Substanzen auf ihre Wirksamkeit gegen Glioblastome zu testen.
Nun bereitet eine Gruppe aus ETH und USZ klinische Studien zur Verwendung von Vortioxetin zur Behandlung von Glioblastomen vor.
Das Glioblastom ist der häufigste bösartige Hirntumor. In der Schweiz erkranken jährlich drei von 100'000 Menschen an einem Glioblastom; Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Behandelt wird durch operative Entfernung der Tumormasse, Bestrahlung und Chemotherapie. Eine Heilung ist derzeit nicht möglich. Die mittlere Überlebenszeit bei rund 15 Monaten bei den heutigen Therapiemethoden.


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