«Nulltoleranz» gegenüber Aggressionen am Spital Wallis

68 Prozent mehr Fälle von asozialem Verhalten in zwei Jahren – Eine neue Richtlinie und eine Sensibilisierungskampagne sollen künftig das Personal vor Übergriffen durch Patienten und Angehörige schützen.

, 13. Oktober 2025 um 12:33
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Bild: Spital Wallis.
Die Zahlen sind alarmierend: Aggressionen gegenüber dem Walliser Spitalpersonal sind innerhalb von zwei Jahren um 68 Prozent gestiegen.
Angesichts dieses besorgniserregenden Anstiegs startet das Spital Wallis eine Kampagne und eine Richtlinie für «Nulltoleranz» gegenüber Aggressionen, Persönlichkeitsverletzungen und asozialem Verhalten, wie die Einrichtung in einer Pressemitteilung schreibt.
Die Zahl der erfassten Fälle sei von 193 im Jahr 2023 auf 244 im Jahr 2024 und Mitte August 2025 bereits auf 207 gestiegen. Die Agressionen würden von Beleidigungen und Drohungen bis hin zu Diskriminierung oder der unerlaubten Verbreitung von Fotos und Videos in sozialen Netzwerken reichen.
«Es handelt sich um eine nationale Problematik, ein gesellschaftliches Phänomen, dem wir uns stellen müssen», erklärte Chrystel Carrupt, Interimsdirektorin des Spitalzentrums des französischsprachigen Wallis, anlässlich einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch.

Spitalpersonal schützen

Das Spital mit mehr als 6'200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat eine institutionelle Richtlinie eingeführt, um sein Personal zu schützen, feindseliges Verhalten abzuschrecken und daran zu erinnern, dass kein Übergriff ohne Folgen bleibt.
Die Richtlinie stützt sich auf das Schweizerische Recht, das die körperliche, psychische und sexuelle Integrität sowie die Achtung des Rechts am eigenen Bild und der Ehre garantiert. «Unsere Aufgabe als Arbeitgeber besteht darin, diejenigen Personen zu schützen, die jeden Tag im Dienst der Bevölkerung arbeiten», betont Pascal Strupler, Präsident des Verwaltungsrats.
Die Initiative wird von einer Sensibilisierungskampagne mit dem Titel «Danke für Ihre Wertschätzung gegenüber dem Spitalpersonal» begleitet, die in allen Standorten des Spitals Wallis – von Brig bis Monthey – eingesetzt wird.
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Bild: Spital Wallis.
Parallel dazu wird für das Personal im französischsprachigen Wallis eine Online-Schulung angeboten, in der es darum geht, Risikosituationen zu erkennen und Präventionsstrategien anzuwenden. Im Spitalzentrum Oberwallis (SZO) gibt es bereits seit mehreren Jahren Deeskalationstrainings.
Ein Intranet-Link wird eine effizientere Dokumentation von Vorfällen ermöglichen. Das Spital Wallis stellt zudem psychologische und rechtliche Unterstützung für die Opfer zur Verfügung.

«Eine absurde Situation»

Der Generaldirektor des Spitals Wallis, Eric Bonvin, räumte in der RTS Sendung «Forum» ein, dass es schwierig sei, eine genaue Ursache für den Anstieg dieser «incivilités» (deutsch: Unhöflichkeiten) zu benennen.
Die Agressionen würden die Arbeit des Pflegepersonals extrem erschweren und zu einer «absurden Situation» führen: «Die Leute kommen, um sich behandeln zu lassen, aber die Beziehung zwischen Arzt und Patient wird dadurch stark beeinträchtigt.»
Er fügte hinzu: «Unsere Aktion ist ein Aufruf an die Bürger, sich für mehr Respekt gegenüber dem Pflegepersonal einzusetzen. Der Ton dieser Kampagne ist präventiv und freundlich.»
«L’Hôpital du Valais a constaté une hausse de 68% des incivilités en deux ans: interview d’Eric Bonvin», Forum, RTS, 8. Oktober 2025. Dauer: 4 Minuten.

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