Warum Zahnversicherungen immer wieder scheitern

Schon drei Anläufe für eine obligatorische Zahnversicherung waren erfolglos. Und trotzdem versuchen es die Kantone immer wieder.

, 28. September 2022 um 14:12
image
Zahnärzte in der Schweiz arbeiten lieber ohne obligatorische Zahnversicherung - weil so die Eigenverantwortung der Patienten grösser ist. | Pixabay
Die Neuenburger Bevölkerung hat am Wochenende eine obligatorische Zahnversicherung klar abgelehnt. In der Waadt war man schon 2018 bei einer Abstimmung dagegen, und in Genf wurden solche Pläne im Jahr 2019 durchkreuzt.

Finanziert mit einem Lohnprozent

Doch warum will niemand eine solche Versicherung? In Neuenburg hätte die Initiative vorgesehen, dass die neue Versicherung durch einen Lohnabzug von einem Prozent finanziert wird. Arbeitgeber und Angestellte hätten je ein halbes Prozent übernehmen müssen.
Zu den Gegnern einer solchen Versicherung gehören nicht nur die bürgerlichen Parteien, welche neue Lohnabzüge generell ablehnen. Auch die Zahnärzte selber möchten keine obligatorische Zahnversicherung.

Lieber mehr vorbeugen

Die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO ist überzeugt, dass es für Personen mit geringem Einkommen bessere Lösungen gebe als eine obligatorische Zahnversicherung, sagt Marco Tackenberg, Mediensprecher der SSO.
Der Grund für die Skepsis der Zahnärzte: Sie fürchten, dass eine obligatorische Zahnversicherung die Eigenverantwortung untergraben könnte. Die SSO geht davon aus, dass sich meisten Zahnerkrankungen mit einer regelmässigen und sorgfältigen Mundpflege vermeiden lassen.

Zahnedizin von grossen Kostenschub verschont

Die SSO betont, dass das Modell der Schweiz im internationalen Vergleich sehr wirksam sei. Weil keine Versicherung zahle, sei der Kostenanstieg in der Zahnmedizin wesentlich moderater als in anderen Bereichen der medizinischen Versorgung.
Als Beweis liefert die SSO Zahlen zu Karies bei Kindern: Diese sei in den letzten 50 Jahren um 90 Prozent zurückgegangen, und das ohne obligatorische Versicherung. Die SSO ist der Meinung, dass medizinisch nötige Zahnbehandlungen bei Patienten in finanziellen Schwierigkeiten von der Sozialhilfe übernommen werden sollten. Eine gezielte Unterstützung sei sinnvoller als eine teure Pflichtversicherung.

Wallis, Tessin, Freiburg und Jura bleiben dran

Obwohl mit Neuenburg bereits der dritte Kanton eine obligatorische Zahnversicherung abgelehnt hat, ist das Thema nicht abgeschlossen. Im Wallis und im Tessin wird bald darüber abgestimmt, in Freiburg und im Jura sind Vorstösse hängig.
  • ärzte
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Der IV fehlen die Ärzte – weil niemand dort arbeiten will

Schlechtes Image, andere Kultur: Deshalb hat die IV so grosse Mühe, genug Ärzte und Ärztinnen für die IV-Abklärungen zu finden.

image

Weltweit eines der ersten High-End-Dual-Source-CT-Systeme im Ensemble Hospitalier de la Côte in Morges

Welche Vorteile daraus für die regionale Bevölkerung entstehen, lesen Sie im nachfolgenden Interview mit Dr. Mikael de Rham, CEO vom Ensemble Hospitalier de la Côte (EHC).

image

Schönheitsoperationen: Lieber ins Nachbarland

Weltweit boomt die Schönheitschirurgie. Aber Zahlen zeigen: Schweizerinnen lassen sich lieber im Ausland operieren.

image

Südkoreas Ärzte protestieren - gegen mehr Studienplätze!

In Südkorea streiken die Ärzte. Sie fürchten die Konkurrenz, wenn es wie geplant 2000 Studienplätze mehr geben sollte.

image

Die Liste: Operationen, die für schwangere Chirurginnen unbedenklich sind

In Deutschland hat die Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie eine «Positivliste« veröffentlicht.

image

Urteil: Wer den Doktor fälscht, kann auch nicht seriös als Ärztin arbeiten

Beim «Dr. med.» meint es das Zürcher Verwaltungsgericht ernst: Es untersagt einer Ärztin wegen Falschangaben die eigenverantwortliche Berufsausübung.

Vom gleichen Autor

image

Bedrohtes Spital geht langsam wieder in Normalbetrieb

Eine 65-Jährige verschanzte sich mit einer Schreckschusswaffe in einem Aachener Spital. Die Verantwortlichen sind «zutiefst erschüttert».

image

Gefragter Aarauer Frauenarzt macht sich selbständig

25 Jahre lang war Dimitri Sarlos an der Frauenklinik des Kantonsspitals Aarau angestellt. Im Oktober eröffnet der Chefarzt eine eigene Praxis.

image

Basler Privatspitäler wollen auch günstige Darlehen vom Kanton

In Basel geht der Streit zwischen Privatspitälern und Universitätsspital weiter: Die Privatspitäler wollen künftig ebenfalls Kredite vom Kanton.