Viele verfehlte Verschreibungen in der Grundversorgung

In der Schweiz könnte jedes fünfte Medikament für ältere Patienten unnötig oder falsch sein: Dies deutet eine Studie an.

, 8. Juli 2024 um 12:43
letzte Aktualisierung: 23. Oktober 2024 um 07:43
image
Bild: Diana Polekhina on Unsplash
Mehr als die Hälfte der älteren Patienten in der Grundversorgung erhalten potentiell unangebrachte Medikamente. Und jedes fünfte Rezept für diese Zielgruppe vermittelt ein unnötiges oder gar falsches Medikamente. Dies deutet eine Studie an, die unlängst im «JAMA Open Network» erschienen ist.
Ein Team von Forschern des Instituts für Hausarztmedizin in Zürich sowie des Inselspitals untersuchte dafür die Verschreibungen für fast 116’000 Patienten im Alter über 65. Die Basis bildeten Daten der Forschungsdatenbank FIRE des Instituts für Hausarztmedizin, erfasst zwischen Januar 2020 bis Dezember 2021.
  • Simeon Schietzel, Stefan Zechmann, Yael Rachamin, Stefan Neuner-Jehle, Oliver Senn, Thomas Grischott: «Potentially Inappropriate Medication Use in Primary Care in Switzerland», in: JAMA Netw Open, Juni 2024.
  • doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.17988
Dabei analysierten die Forscher insgesamt 1,2 Millionen Verschreibungen für 116’000 Patienten und legten als Massstab sechs verschiedene anerkannte Listen für PIM – also für potentiell inadäquate Medikation – an. So etwa die amerikanische Beers Criteria List oder die deutsche Priscus-Liste.
Ein Resultat: 52 Prozent der erfassten Patienten erhielten nach mindestens einer Kriterienliste eine «Potentially Inaproppriate Medication». Bei 19 Prozent der analysierten Rezepturen handelte es sich solch eine PIM.
Allerdings schwankte der Anteil je nach Liste zwischen knapp 13 Prozent (Priscus-Liste) und gut 37 Prozent (Konsensusliste EU-7).

Schmerzmittel, Schlafmittel, Antidepressiva

Die häufigsten Fälle von potentiell unpassender Medikation betrafen Pantoprazol (9,3 Prozent aller verschriebenen PIMs), Ibuprofen (6,9 %), Diclofenac (6,3 %), Zolpidem (4,5 %) und Lorazepam (3,7 %).
Und knapp zwei Drittel der Fälle entfielen auf die Wirkstoffklassen Analgetika, Protonenpumpenhemmer, Benzodiazepine, Antidepressiva und Neuroleptika.
Die Autoren kommen folglich zum Schluss, dass die Ärzte mit Vorteil diese fünf Medikamentenklassen ins kritische Auge nehmen, wenn sie ihre Verschreibungen perfektionieren wollen. Als weitere Strategien nennt das Team die regelmässige Überprüfung der Medikation älterer Patienten durch speziell geschulte Mediziner und Apotheker. Auch könnten spezielle Programme erarbeitet werden, um das Bewusstsein für die Problematik zu schärfen.
  • apotheken
  • Grundversorgung
  • Hausarztmedizin
  • pharma
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Der Réseau de l'Arc reicht bald bis ins Tessin

Das neue Grundversorgungsmodell benötigt einen Wachstumsschub. Aber die Macher haben ein aktuelles Argument – die Krankenkassenprämien.

image

Arzt & Co.: Das Kinderarzthaus wird erwachsen

Die neu gegründete Firma Arzt & Co. eröffnet eine erste Hausarztpraxis in Baden. Sie ist ein Schwesterunternehmen der Kinderarzthaus-Gruppe.

image

Initiative fordert Stärkung der Medikamenten-Versorgung

Die Initiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit» wurde heute mit 131'500 Unterschriften eingereicht.

image

Roche macht sich bei seltenen Krankheiten rar

Der Basler Pharmakonzern richtet seine Forschung neu aus: Er will sich auf fünf grosse Therapiegebiete konzentrieren.

image

Physiotherapeuten und Ärzte möchten am ehesten im Beruf bleiben

Derweil denken Pflegefachpersonen und Apotheker am häufigsten über einen Ausstieg nach.

image
Gastbeitrag von Alessia Schrepfer

Hospital@home light: Ein Zukunftsmodell

Wenn unser Gesundheitssystem flexibler und mutiger wäre, könnten wir viele Bagatellen günstiger behandeln.

Vom gleichen Autor

image

Tardoc und ambulante Pauschalen unter Dach und Fach. Oder doch nicht?

Die Spitäler, Ärzte und Versicherer haben das neue Gesamt-Tarifsystem abgesegnet. Bei der FMH gibt es allerdings noch Widerstand.

image

Schon vorbei? Britische Ärzte wollen keine Physician Associates mehr

Die führenden Medizinerverbände der Insel fordern, dass der Einsatz von Klinischen Fachspezialisten in den Praxen gestoppt wird.

image

Aargau: Ärzteverbands-Präsident im Parlament

Bei den kantonalen Wahlen wurde Thomas Ernst als Vertreter der FDP in den Grossen Rat gewählt.