Szenario Blackout: Spital Muri testet seine Feldküche für den Ernstfall

450 Menüs hat die zusammengewürfelte Küchencrew vorbereitet – 70 Essen gingen an ein Heim. Im Freiamt ist man für alle Fälle gerüstet. Eine Reportage.

, 25. Oktober 2022 um 15:02
image
Die zusammengewürfelte Küchencrew aus dem Spital Muri und den umliegenden Heimen schöpft das Mittagessen | ejo
«Meinen letzten WK absolvierte ich vor 30 Jahren», sagt Markus Weishaupt und lacht. Der Leiter Hotellerie des Spitals Muri steht am Dienstagmorgen vor dem Spitaleingang und wartet auf seine Küchencrew. Heute wird er nicht wie üblich sein Zepter in der Spitalküche führen; jetzt wird die Feldküche getestet, die das Aargauer Spital angeschafft hat, sollte es diesen Winter zu Strom-Engpässen kommen (Bildergalerie am Ende des Textes).
«Unsere Spitalküche kann dank eigener Notstrom-Anlagen die Versorgung fast uneingeschränkt aufrechterhalten. Die sieben umliegenden Heime wären dazu jedoch nicht in der Lage», erklärt Weishaupt die Übung. «Im Falle einer ausserordentlichen Lage, werden Heime ihre Vorräte im Spital Muri lagern.»

1300 Menüs im Notfall

Wie das geht? Sollte es zu einem Stromausfall kommen, werden die Lebensmittel der sieben umliegenden Heime* von zwei Kühllastwagen eingesammelt und an die Notstromaggregate des Spitals Muri gekoppelt. Mehr noch: Gehen zumindest in der Küche der Heime die Lichter aus, werden auf dem Spitalareal spontane Menüs aus den vorhandenen Lebensmitteln gekocht: 1200 bis 1300 an der Zahl.
Inzwischen ist die Küchencrew, die aus Mitarbeitenden des Spitals aber auch aus den Heimen besteht, komplett. Die Feldküche, die mit Benzin angetrieben wird, ist bereit. Punkt sieben fällt der Startschuss. 450 Menüs werden heute zubereitet: Während die Mitarbeiter und die VIP-Gäste das Essen testen können, werden 70 Essen ins Seniorenzentrum Solino nach Boswil geliefert.

«Weg vom Gas»

Das zusammengewürfelte Team arbeitet derart eingespielt, dass der Küchenchef um acht Uhr befiehlt, sie sollen vom Gas gehen – oder besser gesagt – vom Benzin. «Viele waren noch am Anfang noch etwas skeptisch. Dass es so gut läuft, haben wir nicht erwartet», freut sich Weishaupt.
Als die geladenen VIP-Gäste – darunter der Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati, regionale Grossrätinnen und Grossräte, Gemeinderäte, Vertreter der Polizei, Feuerwehr und Zivilschutz –, und die ersten hungrigen Spitalmitarbeitenden um 11.30 Uhr eintreffen, ist das 3-Gänge-Menü mit einem Gruss aus der Küche bereit.
Dass die Küchencrew sichtlich Spass hat, spürt man auf dem Teller: es schmeckt gut. Das Einzige, das bemängelt werden könnte, ist das Besteck aus Plastik.
image

«Wir wären wohl belächelt worden»

Zu Mittag isst auch Daniel Strub, CEO des Spitals Muri (Bild rechts). «Vor wenigen Monaten wären wir wahrscheinlich noch belächelt worden, hätten wir einen Feldküchenanlass wie heute durchgeführt», sagt er und schmunzelt.
Heute, nach zwei Pandemiejahren, sei die Krisenvorsorge selbstverständlich geworden. «Zudem lässt die drohende Strommangellage viele Menschen zur Einsicht gelangen, dass unsere moderne Gesellschaft leicht verwundbar ist und eine leistungsfähige, zuverlässige Stromversorgung daher essentiell.»
Mit dem heutigen Anlass habe das Spital Muri und die Freiämter Alters- und Pflegeheime gezeigt, dass man vorausdenke. «Wir planen Krisenlagen und wollen die Bewältigung ausserordentlicher Ereignisse gemeinsam angehen.»
image
Ralph Huggel, Heimleiter Seniorenheim Solino in Boswil. | ejo

Grill in der Hinterhand

Eine besondere Rolle nimmt das Solino heute ein. Es ist das erste Heim, welches das Essen aus der Feldküche geliefert bekommt. «In einem Alters- und Pflegeheim hat die Küche eine besonders wichtige Rolle», sagt Ralph Huggel, Heimleiter des Seniorenzentrums in Boswil.
Die interne No-Black-Out-Gruppe habe sich mit diversen Bereichen beschäftig, darunter die Gastronomie. «Im Notfall werden wir ein bis zwei Tage im Heim mit dem Gas-Grill kochen. In der Zeit können Zelte und Feldküche in Muri aufgestellt werden und die Kühl-LKWs haben die Lebensmittel abgeholt», erklärt er. Die notwendigen Gasreserven für den Grill sind vorhanden.
Der Notstrom wird für andere Zwecke verwendet: «Zur Lebensader eines Altersheims zählen Notstrombeleuchtung, IT, Telefone und Bewohnernotruf.» Zudem habe das Spital vier grosse Akkus angeschafft, um die Betten, die Wechseldruckmatratzen und die Sauerstoffversorgung zu gewährleisten – Kostenpunkt: 10'000 Schweizer Franken.

*Zu den umliegenden Heimen gehören:

  • Altersheim Solino, Boswil
  • Murimoos
  • Alterswohnheim St. Martin, Muri
  • Pflegimuri
  • Maria-Bernarda-Heim, Auw
  • Zentrum Aettenbühl, Sins
  • St. Josefstiftung, Bremgarten

Bildergalerie: Feldküchen-Testlauf im Spital Muri


image
Markus Weishaupt, Leitung Hotellerie Spital Muri


  • spital
  • spital muri
  • spitalessen
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Viktor 2023: «Ich freue mich auf die Bekanntgabe der Gewinner»

Hirslanden-CEO Daniel Liedtke ist in der Jury des Viktor Awards, zugleich unterstützt die Spitalgruppe die Aktion bereits zum zweiten Mal. Weshalb, sagt er im Interview.

image

Bern: 100 Millionen, um die Spitäler zu stützen

Die Kantonsregierung plant einen Finanzschirm, damit Listenspitäler im Notfall gerettet werden können.

image

LUKS Luzern: Neuer Leiter des Radiologie-Zentrums

Alexander von Hessling ist seit 2015 am Institut für Radiologie und Nuklearmedizin des LUKS und hat die Sektion für Neuroradiologie aufgebaut.

image
Die Schlagzeile des Monats

«Es kann ja nicht sein, dass die Kernkompetenz der Jungen die Administration ist»

In unserer Video-Kolumne befragt François Muller jeweils Persönlichkeiten aus der Branche zu aktuellen Fragen. Diesmal: Michele Genoni, Präsident der FMCH.

image

Onkologie: Von diesen fünf Behandlungen wird abgeraten

Dazu gehört der Einsatz der PET für die Früherkennung von Tumorrezidiven und die prophylaktische Gabe von Medikamenten gegen Übelkeit.

image

Basler Privatspitäler wollen auch günstige Darlehen vom Kanton

In Basel geht der Streit zwischen Privatspitälern und Universitätsspital weiter: Die Privatspitäler wollen künftig ebenfalls Kredite vom Kanton.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.