Rückblick auf 13 Jahre ANQ

Thomas Straubhaar hat das Präsidium des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern (ANQ) abgegeben. «Ziel erreicht», sagt er, geizt aber nicht mit (Selbst-)Kritik.

, 15. April 2023 um 04:14
image
Nach ziemlich genau 13 Jahren als Präsident des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern (ANQ) kann ich feststellen: Ziel erreicht: Die Spitäler und Kliniken haben heute Instrumente in der Hand, die es ihnen ermöglichen, sich in verschiedenen Bereichen bezüglich ihrer Qualität zu vergleichen.
In den ersten ungefähr zehn Jahren war der ANQ eine der wenigen Organisationen, die gemeinsam mit den Trägern flächendeckende Messungen umsetzte, die Resultate auswertete und in vergleichender Weise zur Verfügung gestellt hat. Damit wurde auch die seit Einführung des KVG im Jahr 1996 bestehende Pflicht zur Sicherung der Qualität umgesetzt, ohne dass der Bund selbst eingreifen musste.

«Leider können wir nicht behaupten, dass dank des ANQ der Qualitätswettbewerb forciert worden wäre.»

Der PDCA-Zyklus beschreibt den vierstufigen Regelkreis eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses: Plan, Do, Check, Act. Leider hat sich die Hypothese, dass dank ANQ dieser PDCA-Zyklus in den Institutionen angestossen wird, nur teilweise bestätigt. Auch können wir nicht behaupten, dass dank des ANQ der Qualitätswettbewerb forciert worden wäre.
Zwar haben einige Spitäler und Kliniken die vergleichenden Auswertungen zum Anlass genommen, ihre Qualität zu hinterfragen und zu verbessern, ganz im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Dass sich jedoch ein Teil der Institutionen dieser Herausforderung nicht stellt und gutschweizerisch auf einer imaginären «Best Quality» ausruht, ist für mich unverständlich; hat der ANQ doch versucht, den Institutionen eine Basis zu bieten, sich mit andern zu vergleichen und, wenn nötig, Verbesserungen umzusetzen. Diese Chance wird von vielen nicht genutzt.

«Selbstkritisch muss ich feststellen, dass in den letzten Jahren der Innovationsgedanke und dadurch der Wille zur Umsetzung von neuen Messungen etwas erlahmt ist.»

Selbstkritisch muss ich feststellen, dass in den letzten Jahren der Innovationsgedanke und dadurch der Wille zur Umsetzung von neuen Messungen etwas erlahmt ist. Einerseits ist es nicht einfach, neue, allgemeingültige Messungen zu entwickeln beziehungsweise zu implementieren, anderseits aber hat der revidierte Artikel 58 KVG viele Kräfte absorbiert. Leider haben es die Vertragspartner verpasst, den ANQ in ihren Vorarbeiten stärker einzubinden.
Wie jedes System ist auch dasjenige des ANQ nicht perfekt. So stehen den Institutionen die ausgewerteten Daten zum Teil spät zur Verfügung, was teilweise an den komplizierten Auswerteprozessen liegt, teilweise auch an den nicht immer zeitgerecht zur Verfügung stehenden Daten. Aber immer sind sie qualitativ sehr gut.
Damit die Resultate rascher den Institutionen zur Verfügung stehen sollten, sollte der ANQ die kommenden Jahre dazu nutzen, die zahlreichen, mit viel Aufwand in den Spitäler und Kliniken gesammelten Daten auf eine einheitliche Basis zu stellen und diese intelligent auszuwerten. Dabei müssten die verschiedenen Daten vernetzt werden können, damit ein grösstmöglicher Nutzen resultiert.

«Gerade in Zeiten mangelnder Fachkräfte können wir es uns schlichtweg nicht mehr leisten, mit viel Aufwand Daten zu generieren, die kaum oder nicht ausgewertet werden.»

Von solchen Auswertungen könnten sowohl die Spitäler und Kliniken wie auch die Kantone und Versicherer profitieren. Gerade in Zeiten mangelnder Fachkräfte können wir es uns schlichtweg nicht mehr leisten, mit viel Aufwand Daten zu generieren, die kaum oder nicht ausgewertet werden. Solche Daten haben keinen Nutzen. Der föderalistische Aufbau der Schweiz würde es erlauben, solche Entwicklungen in einzelnen Regionen zu testen, um sie anschliessend auf die ganze Schweiz auszurollen.
Nach wie vor nicht gelöst ist die Finanzierung von Qualitätsprojekten und -Entwicklungen. Dass gewisse Leistungen bei den Leistungserbringern in den Pauschalen integriert sind ist verständlich, aber zusätzliche Aufgaben in Sinne von Steuerungsdaten und insbesondere Projekte müssen durch die öffentliche Hand in genügendem Ausmass finanziert werden.
Es ist beschämend, dass für diese wichtigen Entwicklungen vom riesigen Gesundheitskuchen kaum finanzielle Mittel zur Verfügung stehen; Mittel, mit denen einige kostspielige Fehlentwicklungen vermieden werden könnten.
Thomas Straubhaar präsidierte 13 Jahre den Nationalen Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern (ANQ).

  • gastbeitrag
  • anq
  • thomas straubhaar
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Finanzierung Grundversicherung: Die Schweiz steht abseits

In einem Gastbeitrag widerlegt Reto Wyss die Aussage von Fridolin Marty von Economiesuisse, dass die Haushalte im Durchschnitt genug Mittel hätten, um die Prämien zu bezahlen.

image

Fahren wir das Gesundheitswesen an die Wand? Eine Replik

«Die stark steigenden Kosten gefährden unser Gesundheitswesen», sagte Santésuisse-Direktorin Verena Nold in einem Gastbeitrag. Fridolin Marty von Economiesuisse erhebt Einspruch.

image

Die stark steigenden Kosten gefährden unser Gesundheitswesen

«Damit die Prämien in 10 oder gar 20 Jahren noch bezahlbar sind, müssen wir jetzt reagieren», sagt Verena Nold, die Direktorin von Santésuisse.

image

Pfisters Bremsentrick ist ein Steilpass für Bersets Kostenzielplan

Auch der Ständerat möchte also zur Kostenbremse einen indirekten Gegenvorschlag bereithalten. Die Initiative wird an der Urne sicher abgelehnt. Für planerische Vorgaben fehlen sämtliche Datengrundlagen. Das hindert selbst bürgerliche Politiker nicht, einem bürokratischen Planungsrausch zu verfallen.

image

EFAS, die unendliche Geschichte

Die Forderung der Kantone bei der einheitlichen Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen überlädt die überfällige Reform. Sie droht abzustürzen.

image

Pflege braucht Pflege – der «Pflexit» findet statt

SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen erklärt, wie der «Pflexit» zu stoppen ist.

Vom gleichen Autor

image

Koordinierte Versorgung: «It's the incentive, stupid!»

Der Bundesrat möchte die Koordination in der Versorgung verbessern. Sein Vorschlag verfehlt jedoch das Ziel. Besser ist es, die Datenschätze der Krankenversicherer dafür einzusetzen.

image

Neue VR-Präsidentin bei Zurzach Care

13 Jahre sind genug, wird sich der FDP-Nationalrat Beat Walti gesagt haben. Seine Nachfolgerin als VR-Präsidentin bei Zurzach Care wird seine bisherige Vize Judith Meier.

image

Flury Stiftung beendet das Interregnum

Die Flury Stiftung und das Spital Schiers werden auch nach dem Interregnum nur noch von einer Person geleitet. Sie heisst Oliver Kleinbrod.