Zwei Pflegefachfrauen wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht

Eine Pflegefachfrau und eine Abteilungsleiterin am Zürcher Universitätsspital (USZ) wurden vom Bezirksgericht verurteilt. Sie hätten einen tragischen Suizid eines Patienten verhindern können.

, 13. Juni 2019 um 13:29
image
  • spital
  • pflege
  • universitätsspital zürich
Ein suizidgefährdeter Patient war kurze Zeit nach einem Sitzwache-Schichtwechsel ohne Aufsicht gewesen. Diese Gelegenheit nutzte der frisch operierte Mann und stürzte sich aus dem fünften Stock des Universitätsspitals Zürich (USZ). Der tragische Fall hatte sich im bereits im Juni vor sieben Jahren ereignet. 
Das Zürcher Bezirksgericht hat deswegen nun zwei Pflegefachfrauen der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen, wie die NZZ berichtete. Sie hätten Rücksprache mit einem Arzt vornehmen müssen und nicht in eigener Kompetenz über die Weiterführung der Sitzwache entscheiden sollen. 

Keine Strafe vorgesehen

Dass der 66-jährige depressive Patient schon längere Zeit Suizidabsichten gehegt haben soll, war den Pflegefachfrauen laut eigenen Angaben nicht bekannt. Aus Zeitgründen sei es unmöglich, alle Patientenberichte zu lesen. Ein Eintrag im System habe zudem gefehlt. Es habe darüber hinaus offenbar keine ärztliche Anweisung für eine Sitzwache wegen Suizidalität gegeben, so die Argumente. Es habe sich hier um ein Kommunikationsproblem gehandelt.
Allerdings verzichtete das Gericht auf eine Bestrafung. Es berief sich dabei auf die Strafbefreiung im Strafgesetzbuch. Dies ist unter anderem möglich, wenn alles unternommen wurde, um den Schaden auszugleichen. Die Witwe und das USZ schlossen einen zivilrechtlichen Vergleich.

Staatsanwalt forderte bedingte Strafe

Der Staatsanwalt forderte für beide Beschuldigten wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht und fahrlässiger Tötung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 100 Franken. Diese sollte bedingte ausgesprochen werden bei einer Probezeit von zwei Jahren. 
Die Witwe des Verstorbenen zeigte kein Interesse an einer weiteren Strafverfolgung. Das Universitätsspital versprach, alles zu unternehmen, dass nie wieder ein ähnlicher Fall passiert. Beide Frauen arbeiten weiterhin in ihren Positionen am USZ. 
  • Urteil GG190080 vom 6.6.2019
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Kantonsspital kauft Aktien einer Digital-Plattform

Was Medinside vor einer Woche angekündet hat, ist nun geschehen: Das erste öffentliche Spital steigt bei «Compassana» ein.

image

Auch für Pflege zuhause gelten Ruhezeiten

Keine Chance für einen SVP-Vorstoss, das Arbeitsgesetz für Betreuung und Pflege zuhause aufzulockern: Der Bundesrat blieb hart.

image

Drama in Berlin: Senioren werden aus Pflegeheim geschmissen

Ein Berliner Pflegeheim wird in eine Unterkunft für Flüchtlinge umgewandelt. Einige Bewohner hingen bei der Räumung an ihren Atemgeräten und weinten.

image

So will das Kantonsspital Graubünden Gewaltopfern helfen

Das Kantonsspital Graubünden in Chur betreibt neu die Sprechstunde «Forensic Nursing». Das Angebot ist das erste dieser Art in der Deutschschweiz.

image

Kantonsspital Winterthur lässt Gender-Leitfaden nun doch fallen

Das Kantonsspital Winterthur zieht die gendergerechte Sprachempfehlung zurück. Der Druck ist wohl zu gross geworden.

image

Christian Britschgi wechselt als Chefarzt nach Winterthur

Christian Britschgi leitet künftig die medizinische Onkologie und Hämatologie im Kantonsspital Winterthur.

Vom gleichen Autor

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.

image

Warum hunderte Pflegekräfte derzeit «Rücktrittsschreiben» verfassen

Eigentlich möchten viele Pflegefachpersonen ihrem Beruf gar nicht den Rücken kehren. Doch das System zwingt sie dazu, wie eine aktuelle Kampagne in den USA exemplarisch zeigt.

image

Ärzte erhalten von Ärzten eine Sonderbehandlung

Ärzte als Patienten kriegen bestimmte Privilegien, die andere Patienten oder Patientinnen nicht erhalten würden. Dies sagt die grosse Mehrheit der in einer Studie befragten Ärzte.