Wo sich unsere Ärzte im Internet informieren

Soziale Netzwerke für Mediziner stossen in der Schweiz offenbar immer noch auf Skepsis. Am erfolgreichsten unter hiesigen Ärzten bleiben digitale Nachschlage-Angebote.

, 12. Juli 2017 um 07:19
image
  • trends
  • praxis
Das Online-Informationsverhalten der Ärzte ist eine recht schwarze Box. Es gibt zwar Studien zur allgemeinen IT-Nutzung oder zu den Einstellungen zu E-Health, auch in der Schweiz.
Doch wie ist es mit dem Informationsverhalten? Über welche Webseiten informieren sich die Schweizer Mediziner? Die Kommunikationsagentur Farner hat dazu eine kleine Analyse der Nutzung von medizinischen Webseiten erarbeitet. Beobachtet wurden dabei nur jene Plattformen, auf denen sich ausgewiesene Gesundheitsfachpersonen für die Nutzung des gesamten Angebots einloggen müssen. Denn dies dürften logischerweise auch die Seiten sein, die schwergewichtig von Medizinern genutzt werden. 


Sieben Angebote wurden dabei verglichen: Compendium, DocCheck, Infomed, Pharmasuisse, Tellmed, Medizinonline und Esanum.
Dabei erwies sich Compendium als klarer Spitzenreiter, also der Online-Überblick über die Medikamenten-Situation. 60 Prozent des gemessenen Traffic von Gesundheitsprofis landete hier; die Datenbank für die Arzneimittel bucht pro Monat rund eine Viertelmillion Besuche (Visits). 
Auch dem zweiten Rang folgt Doccheck: Es erreichte 30 Prozent des Gesamtverkehrs auf den analysierten Seiten. Die deutsche Online-Community für medizinische Fachpersonen scheint in der Schweiz also ihren Platz gefunden zu haben; Farner mass durchschnittlich 142’000 Visits aus der Schweiz. Nach eigenen Angaben hat das «Social Medwork» (Selbstbezeichnung) gut 61'000 eingetragene Nutzer aus der Schweiz, darunter 18’000 Ärzte – was einer enorm hohen Durchdringung entsprechen würde. Da hat sogar die HIN-Community nur wenig mehr Mitglieder.
Am intensivsten nutzen die Docccheck-Mitglieder dabei das «Flexikon», ein Wikipedia-ähnliches (und öffentlich zugängliches) Kompendium der Krankheiten und Befunde.


Die Farner-Analyse lässt ahnen, dass es auch in diesem Bereich – wie so oft bei Web-Angeboten – eine «The Winner Takes it All»-Entwicklung gibt: Nach den beiden Spitzenreitern wird es rasch mager.
Der Medikamenten-Beobachtungsdienst Infomed kommt immerhin noch auf knapp 10'000 Besuche pro Monat – aber bereits weit abgeschlagen nach Compendium. Derweil liegen PharmasuisseTellmedMedizin Online und und der Schweizer Ableger des deutschen Ärztenetzwerks Esanum irgendwo zwischen 5'000 Besuchen und noch weniger.

Und Coliquio und Figure1?

Eine Blick auf internationale Ranking-Plattformen zeigt zudem, dass auch andere grosse Ärzte-Netzwerke hierzulande einen schweren Stand haben: So wir das deutsche Coliquio zwar auch in Österreich rege genutzt – nicht aber in der Schweiz.
Und vor allem hat sich der «Global Player», also die Bilder- und Fall-Austausch-Plattform Figure1, in der Schweiz eindeutig noch nicht durchgesetzt – während Deutschland bereits zu den wichtigsten Märkten der kanadischen Social-Media-Ärzteplattform zählt.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Psychotherapie: Santésuisse spricht von Kostenexplosion

Die Krankenkassen fordern einen tieferen Tarif für psychologische Psychotherapeuten. 

image

Grundversorgung: Das möchten die Leute nicht

Mit Kiosken und KI-Diagnostik sollte in den USA das Gesundheitswesen revolutioniert werden. Jetzt wird das Multimillionen-Projekt abgebrochen. Der Fall zeigt: In der Grundversorgung ist menschliche Nähe unersetzlich.

image

Brustkrebsscreening bald auch in Baselland

Während immer mehr Kantone Brustkrebsscreenings einführen, wird der Nutzen in Zürich hinterfragt.

image

In der Rehaklinik üben Patienten mit einer App

Reha-Training mit dem Tablet: In der Klinik Tschugg analysiert der Computer unter anderem die Aussprache.

image

Sätze, die man zu schwerkranken Patienten nicht sagen sollte

«Alles wird gut.» «Kämpfen Sie!» «Was haben die anderen Ärzte gesagt?»: Eine Studie identifiziert Floskeln, die kranke Menschen verunsichern können.

image

In Bern steht die Selbstdispensation wieder zur Debatte

Der jahrelange Konflikt zwischen Apothekern und Ärzten könnte in eine neue Runde gehen: Eine kantonale Motion fordert, dass künftig alle Arztpraxen Medikamente verkaufen dürfen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.