«Great Barrington Declaration», auf Deutsch die Erklärung von Great Barrington, heisst jenes A4-Blatt, das für grosse Aufregung in Wissenschaftskreisen sorgt. Entstanden ist die Erklärung vor einigen Tagen, als das «American Institute for Economic Research» (AIER) ein Treffen von Epidemiologen, Ökonomen und Journalisten einberief, um die Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zu diskutieren.
Einschränkungen sind zu teuer und ungesund
Die Unterzeichner fordern nun mit der «Barrington»-Erklärung eine neue Covid-19-Strategie: Sie möchten das öffentliche Leben nicht mehr einschränken. Die Kosten einer generellen Lahmlegung des öffentlichen Lebens seien viel zu hoch. Ihr Hauptargument: Solche Beschränkungen hätten nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche körperliche und geistige Gesundheit, und zwar vor allem für weniger Privilegierte.
Mit künftigen Massnahmen sollen nur noch Risiko-Personen abgeschirmt werden und nicht mehr die ganze Bevölkerung vor Ansteckung geschützt werden. Konkret fordern sie: An Schulen und Universitäten soll wieder unterrichtet werden. Junge Erwachsene mit geringem Risiko sollen nicht mehr von zu Hause aus arbeiten. Restaurants und Geschäfte dürfen öffnen. Kunst, Musik, Sport und andere kulturelle Aktivitäten sollen wieder aufgenommen werden.
Ansteckung zur Immunisierung erwünscht
Als «fokussierten Schutz» bezeichnen die Wissenschaftler ihre Strategie. Das heisst: Nicht-Risiko-Personen sollen eine Ansteckung riskieren. So wollen die Wissenschaftler eine Immunisierung der Bevölkerung erreichen. Unterzeichner der Erklärung sind zwei Medizinprofessoren und eine Epidemiologie-Professorin.
Bei anderen Wissenschaftlern stösst die «Barrington»-Erklärung auf Kritik. Ein Lungenspezialist sagt: Die Strategie sei schon richtig – sie komme aber zu früh. Sobald wie bei der normalen Grippe ein Impfstoff und Medikamente zur Behandlung verfügbar seien, genüge es auch bei Covid-19, nur noch Risikopersonen zu schützen.
«Groteske Strategie»
Verfolge man diese Strategie früher, sei das sehr unklug, warnen die Gegner. Insbesondere im so genannten «SAGE-Report» von Ende September kommen britische Wissenschaftler zum Schluss: «Diese Strategie funktioniert nicht und sollte auch nicht ausprobiert werden.»
Die Ziele der «Barrington-Erklärung» seien für die nationale und die globale öffentliche Gesundheit gefährlich. Die «groteske Strategie» komme einer «Ausmerzung von Kranken und Behinderten» gleich.
Erfolgreiche Länder testen und verfolgen
Die «Independent Scientific Advisory Group für Emergencies» (SAGE) ist eine Gruppe von Wissenschaftlern, welche der britischen Regierung und der Öffentlichkeit Ratschläge dazu geben, wie in der Covid-19-PandemieTodesfälle minimiert und die Erholung Grossbritanniens unterstützt werden kann.
Sie weisen darauf hin, dass die «Barrington»-Erklärung schädlich und irreführend sei. In vielen Ländern, welche die Pandemie relativ gut bewältigen, wie etwa Südkorea und Neuseeland, werde das Virus nicht einfach wild laufen gelassen, in der Hoffnung, dass Asthmatiker und ältere Menschen zwölf Monate lang einen Ort finden, an dem sie sich verstecken können. Diese Länder würden die Strategie «Testen und Verfolgen» anwenden. Damit würden die Folgen neuer Ausbrüche verringert.