«Wer in Mathe nicht so gut ist, kann dennoch ein guter Arzt sein»

Die Schweizer Numerus-Clausus-Tests seien «fantastisch ungeeignet»: Jacques de Haller fordert einen radikalen Wechsel. Sein Vorbild: Israel.

, 29. Juli 2015 um 15:00
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Beim Numerus Clausus klappt es nicht: Wie letzte Woche bekannt wurde, sickerten auch dieses Jahr ein Dutzend Fragen für die Eignungsprüfung zum Medizinstudium heraus – und gelangten an ein Institut, an dem sich Maturanden für die Prüfung vorbereiten können.
Das welsche Radio RTS stellte nun die Frage in den Raum, ob das Medizinstudium denn nur noch für Kinder reicher Eltern möglich sei: der Numerus Clausus als Business. Dazu befragten die Radiojournalisten Jacques de Haller, den ehemaligen Präsidenten der FMH und designierten Präsidenten der europäischen Ärztegesellschaft CPME
Jacques de Haller kritisierte in seinen Antworten weniger die soziale Problematik – es ging ihm uns Grundsätzliche: Das System sei «fantastiquement inadéquat», also fantastisch ungeeignet. Es sei fehlerhaft und raube vielen talentierten Leuten die Motivation.

«Les études de médecine sont-elles réservées à une élite?», RTS, Journal du Matin.

In der Schweiz, so de Haller, seien die Eignungstests fürs Medizinstudium ausschliesslich darauf ausgerichtet, Wissen zu büffeln. Am Ende wähle man Kandidaten aus, die in der Lage seien, die Lösungen von Physik- und Arithmetik-Aufgaben zu repetieren.
«Wer in Mathe nicht so gut ist, kann trotzdem ein guter Arzt sein», meinte der Allgemeinpraktiker aus Genf.
Nötig wären also Tests, welche auch die soziale Kompetenz prüfen – oder überhaupt «une batterie» von Fähigkeiten. Solche Eigenschaften liessen sich durchaus in Prüfungsverfahren testen: In den USA, in Kanada, Israel oder Neuseeland werde das ja vorgemacht.

Warum machen wir es nicht wie die Israeli?

«Es gibt keinen Grund, so etwas nicht auch in der Schweiz zu übernehmen», so der ehemalige FMH-Präsident. Speziell erwähnte Jacques de Haller das Beispiel Israel: Dort würden die Kandidaten einen ganzen Tag mit verschiedensten Tests durchlaufen, zu denen eben auch Teamarbeiten oder der Umgang mit supponierten Patienten gehöre.
Dies sei sogar nicht teurer als die Schweizer Methoden. Und eine Anwendung beziehungsweise Übernahme der Tests anderer Länder sei ja wirklich einfach zu bewerkstelligen.
Jacques de Haller zeigte sich optimistisch, dass der Wandel dereinst stattfinden wird: Nach und nach werde sich schon etwas verändern. An der Universität Genf gebe es zum Beispiel durchaus Leute, welche die Zustände ernsthaft prüfen und neu überdenken. 

  • Siehe auch: «Praktikum statt Chrüzlitests»

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