Der eine Versichererverband gibt Alain Berset recht: Curafutura rechnete in seiner
Stellungnahme zum Tarmed-Paket gestern vor, dass damit rund 700 Millionen eingespart werden könnten. Diese Zahl hatte Gesundheitsminister Berset selber als Zielwert genannt – etwa so viel liesse sich durch sein geplantes Tarifsystem jährlich herauspressen.
Aber bekanntlich kursieren viele Zweifel daran. Und genau diese Zweifel werden auch beim anderen Krankenversicherer-Verband gehegt:
Santésuisse beurteilt das mögliche Einsparvolumen «wesentlich vorsichtiger als Curafutura». So steht es in einem Papier zur internen Einordnung der Tarmed-Folgen; es liegt
Medinside vor.
Aus Erfahrung klug?
Ein Hauptargument dabei: Weil er auf Einzelleistungen basiert, erlaube es der Tarmed den Ärzten weiterhin, praktisch unlimitiert Leistungen über andere Positionen abzurechnen – womit sich der Eingriff des Bundesrates umgehen lässt. Notabene ist sich auch Curafutura bewusst, dass dies ein heikler Punkt sein dürfte: Der kleinere Verband nannte als Bedingung für einen 700-Millionen-Erfolg, dass die Ärzte und Spitäler den Tarifeingriff nicht mit «kreativen Kompensationsmassnahmen» umgehen.
Santésuisse scheint
hier also grundlegend skeptischer. Das Einordnungs-Papier verweist auf die Erfahrung von 2014: Der Tarifeingriff stellte damals zwar wie gewünscht die Grundversorger besser – aber die Spezialisten kompensierten die eingebauten Ausfälle durch Mengenausweitungen
(mehr dazu hier).«Nur ein ambulanter Pauschaltarif…»
Bei Santésuisse kommt man also zum Schluss, «dass nur ein ambulanter Pauschaltarif deutlicher zu einer Kostendämpfung beitragen kann», so die interne Beurteilung. Indem häufige, teure Behandlungen per Durchschnittspreis abgerechnet würden, liesse sich eher verhindern, dass ineffiziente Vor- und Nachbehandlungen via Einzelleistungen zusätzlich kosten.
Das ist die eine Seite. Aber zugleich geht Santésuisse auch auf Distanz zur Idee von
H+; der Spitalverband hatte gestern ebenfalls dafür votiert, dass gewisse Pauschalen eingeführt werden. Konkret schlug die H+-Leitung unter Isabelle Moret vor, «One-Day-DRG»-Vergütungen einzuführen – also Fallpauschalen für spitalambulante Behandlungen ohne die Übernachtungskosten.
Ambulante Fälle in die Praxen!
Bringt nichts, widersprechen die Santésuisse-Experten (zumindest intern): Damit würde eine Behandlung am Ende doch wieder teurer. Sparpotenziale seien keine erkennbar – zumal vor dem Hintergrund, dass die Infrastrukturkosten einer Arztpraxis tiefer sind als im Spital. «Ambulante Leistungen sollten daher primär in Arztpraxen und nicht in Spitälern erbracht werden», so die Lesart bei Santésuisse.
Dabei legt der grösste Kassenverband den Finger auf einen bislang kaum beachteten Punkt: Für die «One-Day-DRG»-Fälle sollen auch Zusatzversicherungen herangezogen werden können. USB-Direktor Werner Kübler hatte diesen Aspekt bei der Präsentation des Modells vor den Medien in Bern erwähnt – als Chance für Patienten wie Ärzte.
Honorare für Kaderärzte aufbessern?
Damit sollten also die Arzthonorare der Kaderärzte aufgebessert werden, mutmasst das verbandsinterne Diskussionspapier: «Mit einem solchen Vorschlag würde der Zwei-Klassen-Medizin Vorschub geleistet. Die freipraktizierenden Spezialärzte wären zudem gegenüber den Spitalambulatorien im Qualitätswettbewerb benachteiligt.»
Eine Lösung könne also nur die gleiche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen sein.
700 Millionen? Auch Comparis rechnet anders
«Wer meint, dass das bundesrätliche Spardiktat von 700 Millionen Franken jährlich das Gesundheitssystem tatsächlich um diesen Betrag entlasten würde, der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht»: Dies sagt Felix Schneuwly, der Krankenkassen-Experte beim Vergleichsdienst
Comparis.
Auch Schneuwly befürchtet, dass Ärzte und Spitäler die Tarifkürzungen umgehen und kompensieren. Deshalb wäre es unseriös, wenn alle Krankenkassen das angedachte Sparziel von 700 Millionen Franken bereits in ihre Prämienkalkulation für 2018 einbeziehen würden.
Aber genau in diese Richtung – so hört man bei Comparis – mache das BAG angeblich Druck auf die Krankenversicherer; und dies, obwohl noch nichts beschlossen ist und sich sowohl Ärzte als auch Spitäler sich vehement dagegen wehren.