Sorgen wegen Besuchsverbot in Berner Altersheimen

Haben die Berner Domicil-Altersheime mit ihrem strikten Besuchsverbot übertrieben? Manche Angehörige sind besorgt.

, 4. März 2020 um 14:28
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Die Information am Eingang lässt keinen Spielraum offen: «Ab sofort werden unsere Häuser inkl. Restaurant und Cafeteria für externe Besucher geschlossen. Besuche sind nur noch in absoluten Ausnahmefällen möglich.» Das gelte bis mindestens 31. März.

Verbot wird überall eingehalten

Dieses Besuchsverbot hat die grösste Altersheimgruppe des Kantons Bern verhängt. Die Domicil-Altersheime betreuen an 23 Standorten gut 1600 alte Menschen. «Die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Hauses gehören zu den am meisten gefährdeten Risikogruppen.
Sie müssen daher besonders geschützt werden», begründen die Domicil-Chefinnen die ungewöhnliche Massnahme zur Eindämmung von Coronavirus-Infektionen. Derzeit wird das Verbot an allen Standort durchgesetzt und auch eingehalten, wie die Domicil-Direktorin Andrea Hornung gegenüber Medinside bestätigt.

«Kennt mich mein Vater Ende März noch?»

Nicht alle Angehörigen sind jedoch glücklich mit dieser drastischen Schutzmassnahme. «Wenn ich meinen Vater erst in einem Monat wieder besuchen kann, kennt er mich bestimmt nicht mehr», befürchtet die Tochter eines betagten Bewohners. Telefonieren kann der schwerhörige Mann nicht, Kontakte im Heim hat er kaum.
Andrea Hornung räumt ein, dass einzelne Angehörige das Besuchsverbot übertrieben fänden. Gegenüber der «Berner Zeitung» sprach Esther Flückiger, stellvertretende Chefin und Marketing-Verantwortliche der Domicil-Gruppe, von Ausnahmen in «schwierigen Fällen, etwa bei Sterbenden.»

Besuchsverbot ja - Ausgehverbot nein

Dass das Unterbinden der direkten sozialen Kontakte der alten Menschen negative Auswirkungen haben könnte, glaubt Andrea Hornung nicht. Sie hofft, dass die Domicil-Heime das Verbot «nicht allzu lange» aufrechterhalten müsse. Die Bewohner könnten ausserdem telefonieren und hätten jederzeit Kontakt mit den Mitarbeitenden. Andrea Hornung betont denn auch: «Die allermeisten Angehörigen und Kunden haben Verständnis für unsere Massnahme.»
Domicil kann zwar ein Besuchsverbot aussprechen, umgekehrt aber kein Ausgehverbot für die Bewohnerinnen und Bewohner. Sie dürfen das Altersheim also ungehindert verlassen – sofern sie überhaupt noch genug mobil sind. Das dürfte bei vielen betagten Heimbewohnern nicht der Fall sein.

Senevita verbietet nur Risiko-Besucher

Weniger weit geht die Senevita-Gruppe. Sie fordert Besucherinnen und Besucher dazu auf, sich in einer Liste am Eingang einzutragen. Auf einen Besuch verzichten sollen nur Personen, die an Fieber, Husten oder Atembeschwerden leiden und in den vergangenen 14 Tagen mit einer zurückkehrenden Person aus einem betroffenen Gebiet in Kontakt standen.
Das entspricht auch den Weisungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Dieses sieht kein komplettes Besuchsverbot vor, sondern empfiehlt, nur Personen zuzulassen, die keine Grippesymptome haben und nicht in Regionen waren, die vom Virus betroffen sind.
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