So unseriös werden Medikamentenstudien gemacht

Forscher aus Oxford haben die in den namhaftesten Medizinfachpublikationen veröffentlichten Studien analysiert. 86 Prozent davon entsprachen nicht den Vorgaben.

, 1. März 2019 um 10:59
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Studien im Pharmabereich weisen fast immer Mängel auf. Zu diesem ernüchternden Fazit kommen Forscher aus Oxford. Im Projekt «Compare» haben sie Studien aus den fünf wichtigsten Medizinfachzeitschriften untersucht, wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet. Sechs Wochen lang verglichen das Team aus Oxford alle publizierte Studien. Dabei haben sie die Studien nicht inhaltlich bewertet, sondern geprüft, ob diese im Einklang mit Standards und Richtlinien erstellt worden sind.
Das Ergebnis ist vernichtend: Unter den 67 analysierten Studien fanden sich bei 58 Ungereimtheiten zwischen den festgelegten Zielen und den in der Studie veröffentlichten Resultaten. Besonders schlecht schnitten die Artikel im «New England Journal of Medicine» und im «Journal of the American Medical Association» ab. Der Hauptkritikpunkt der «Compare»-Teams: Der Umgang der Pharmaforscher mit der Aufgabenstellung. 
Eigentlich müssen Studienziele vor Begin der Studie klar definiert und publiziert werden. Ebenso müssten Zieländerungen transparent gemacht werden. Nur so kann letztlich das Studienergebnis überprüft und eingeordnet werden. Und werden die Studienziele nicht festgelegt, können die Ziele im Verlauf dahingehend angepasst werden, dass ein Erfolg resultiert - oder die Studien verschwindet gar einfach in der Schublade. Beides führt zu schwerwiegenden Verzerrungen der Medikamententest.
Keine Wirkung, grosse Nebenwirkungen: Test bestanden
Werden die Ziele während der Studie je nach Ergebnis erstellt, resultiert so zwar ein Zufallstreffer. Ob es sich dabei um ein effektives Ergebnis oder nur um einen zufälligen, nicht reproduzierbaren Effekt handelt, ist dabei unklar. Dies kann schwerwiegende Folgen haben.
Die SZ führt dazu das Beispiel des Antidepressivums Paroxetin an. Bei diesem kam eine Studie zum Ergebnis, dass das Medikament bei Jugendlichen die Symptome von Depressionen lindere. Doch Überprüfungen zeigten:  Keines der ursprünglichen Studienziele deute an, dass es eine positive Wirkung des Wirkstoffs gibt. Daraufhin ergänzten die Autoren ihre Studie nachträglich 19 mit weiteren Zielen. Bei vieren davon trat scheinbar eine positive Wirkung ein. Gleichwohl: Heute sind Fachleute überzeugt, dass Paroxetin bei Jugendlichen nicht besser als ein Placebo wirkt - dies bei Teils starken Nebenwirkungen. Aufgrund der Studie wurde das Medikament jahrelang an jugendliche Patienten abgegeben.
Merkwürdige Rolle der Magazine
Die Forscher konfrontierten die Medizinalzeitschriften mit ihren Ergebnissen. Doch diese waren nicht interessiert - einzig in zwei der 58 beanstandeten Studien wurden nachträglich Anpassungen an den Texten vorgenommen.
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