So kassieren Krankenkassen widerrechtlich Millionen

Jahrelang bezahlten Patientinnen und Patienten zu viel Geld für Spitalkostenbeiträge. Zu Unrecht, wie das Bundesgericht nun feststellt.

, 13. Juni 2019 um 06:40
image
  • versicherer
  • assura
  • spital
Krankenkassen verrechnen ihren Versicherten 15 Franken Spitalkostenbeitrag pro Nacht. Dies, weil Patienten Geld sparen, wenn sie sich nicht zu Hause verpflegen. Einzelne Versicherer verrechnen ihren Kunden allerdings 16 Franken 50 weiter. 
Die Differenz von 1 Franken 50 pro ergibt sich daraus, dass die Versicherer die 10 Prozent Selbstbehalt auf die gesamte Spitalrechnung erheben – also auch auf den Spitalkostenbeitrag.

Keine «doppelte Beteiligung» vorgesehen

Gegen diese Praxis wehrte sich ein Patient des Versicherers Assura. Zu Recht, wie das Bundesgericht nun feststellt. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich entschied, der Mann habe den geforderten Spitalkostenbeitrag von 30 Franken nicht zu leisten. Assura gelangte an das höchste Schweizer Gericht.
Das Bundesgericht hält in seinem am Mittwoch veröffentlichten Urteil fest, dass der Gesetzgeber eine solche «doppelte Beteiligung» des Patienten weder gewollt noch in Kauf genommen habe. Selbstbehalt und Kostenbeitrag sind unterschiedliche Sachen. 
Die Richter aus Lausanne fordern deshalb, dass die Versicherer den Spitalkostenbeitrag bei ihren Kunden einzeln in Rechnung stellen. Nur auf den Behandlungskosten dürfen die Kassen den Selbstbehalt von 10 Prozent erheben.

BAG stützte die Praxis – zu Unrecht

Schlecht weg kommt das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Denn dieses stützte die Praxis der Assura. Das BAG unterstützt das im angefochtenen Entscheid gewählte Vorgehen des Versicherers und liess unterschiedliche Interpretationen zu.
Das Bundesamt führte insbesondere aus, sowohl eine «grammatikalische als auch eine systematische sowie eine historische Auslegung» würden für die Abrechnung des Spitalkostenbeitrags an letzter Stelle sprechen.

Rückforderungen möglich

Wie hoch diese zu viel bezahlten Gelder nun in der Summe sind, lässt sich nicht genau beziffern. Unklar ist auch, wie viele Versicherer in der Praxis bisher gleich vorgegangen sind wie die Waadtländer Assura. Streng genommen könnten die Patienten das Geld für Spitalaufenthalte in den vergangenen fünf Jahren nun aber zurückverlangen.

  • 9C_716/2018, Urteil vom 14. Mai 2019 

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Spital Samedan prüft Zusammenschluss mit Kantonsspital Graubünden

Die Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin untersucht zwei strategische Wege in eine nachhaltige Zukunft.

image

Kantonsspital Aarau: Mehr Betten im Neubau

Wegen einer «unverändert hohen Patientennachfrage» plant das KSA nun doch mehr Betten.

image

Hirslanden: Umbau an der Spitze – näher zu den Regionen

Hirslanden-Zürich-Direktor Marco Gugolz zieht als Regional Operations Executive in die Konzernleitung ein.

image

Was geschieht mit dem Spital Thusis?

Die Stiftung Gesundheit Mittelbünden sucht Wege aus der finanziellen Krise – beraten von PwC. Ein Entscheid soll im Herbst fallen.

image

CSEB: «Herausfordernd, aber zufriedenstellend»

Trotz roten Zahlen und leicht rückläufigen Patientenzahlen gibt sich das Center da sandà Engiadina Bassa optimistisch.

image

Spital STS: Hohe Patientenzahlen bewahren nicht vor Verlust

Sowohl stationär als auch ambulant gab es bei der Spitalgruppe Simmental-Thun-Saanenland 2023 einen Zuwachs.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.