So arbeiten Ärztinnen und Ärzte unerwartete Todesfälle auf

In vielen Schweizer Spitälern wird es schon gemacht: In speziellen Besprechungen arbeiten die Beteiligten unerwartete Komplikationen und Todesfälle auf. Nun gibt es einen Leitfaden fürs Organisieren solcher Konferenzen.

, 12. Juni 2019 um 13:00
image
  • spital
  • ärzte
  • patientensicherheit
Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz heissen die Besprechungen. In der Hirslanden-Klinik Im Park finden sie mindestens zweimal pro Jahr statt. Das Thema: Spezielle Fälle des Klinikalltages in der Geburtshilfe.

Beteiligte diskutieren offen über Fehler und fragwürdige Entscheide

Auf den Tisch kommen Fehler, unerwünschte Ereignisse und fragwürdige Entscheide. Der Grundsatz der Besprechung: Niemals ist die Suche nach Schuldigen ein Thema. Es soll offen und fair diskutiert werden und am Schluss der Konferenz der Fall in wohlwollendem Sinn abgeschlossen werden
Solche Konferenzen erhöhen die Sicherheit für die Patienten. Die Stiftung Patientensicherheit Schweiz unterstützen diese Sicherheitskultur und hat deshalb einen neuen Leitfaden für Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (M&M-Konferenzen) erarbeitet.

Bereits in Spitälern getestet

Er richtet sich an Chefärzte, Leitende Ärztinnen, Riskmanager und weitere Kader im Spital. Er enthält Materialien für die Praxis, von der Checkliste zur Fallauswahl bis zum Evaluationsbogen. Die Stiftung hat den Leitfaden laut einer Mitteilung in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten entwickelt und in ausgewählten Spitälern auf seine Praxistauglichkeit getestet und optimiert.
Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen haben vor allem in den angelsächsischen Ländern eine lange Tradition als Instrument ärztlicher Weiterbildung im Spital. Es gibt sie aber auch in Schweizer Spitälern. Die Besprechungen waren ursprünglich auf das Ziel ausgerichtet, das individuelle ärztliche Handeln durch Reflexion abgeschlossener Fälle zu verbessern. Diese Ausrichtung hat sich in den letzten Jahren verändert oder erweitert.

Schlechte Konferenzen können schaden statt nützen

Eine Untersuchung im Kinderspital Zürich zeigte etwa: Viele Fehler sind auf Schnittstellen und die Teamzusammenarbeit zurückzuführen. Wirksame M&M-Konferenzen zu etablieren ist allerdings anspruchsvoll.
Zum einen müssen die Form und das methodische Vorgehen stimmen. Zum anderen nützt es nichts, wenn nur über Fehler diskutiert wird, jedoch keine Erkenntnisse, Lösungen und Massnahmen folgen. Schlecht strukturierte und moderierte Konferenzen können sogar destruktiv wirken und eine gute Sicherheitskultur zunichtemachen, zum Beispiel, wenn einzelne Beteiligte «vorgeführt» werden.

«Leitfaden kann Sicherheitskultur fördern»

«Eine Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz gemäss Leitfaden der Stiftung durchzuführen ist anspruchsvoll, aber machbar», ist David Schwappach, wissenschaftlicher Leiter bei Patientensicherheit Schweiz, überzeugt. «Wird er konsequent angewendet, können Spitäler aus Zwischenfällen lernen, spitalinterne Strukturen und Prozesse verbessern und die Sicherheitskultur fördern.»
Den rund 40-seitigen Leitfaden gibt es auf Deutsch, Französisch und Italienisch. Er wird unterstützt durch die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sowie den Dachverband chirurgisch und invasiv tätiger Fachgesellschaften und Berufsverbände (FMCH).
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Welche Fachärztinnen am ehesten erneut Medizin studieren würden

Immer weniger Ärztinnen würden sich für die Medizin als Beruf entscheiden. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Fachrichtungen, so eine neue Studie aus den USA.

image

Spital Einsiedeln: Geburtsabteilung öffnet erst nächstes Jahr wieder

Die Geburtenabteilung des Ameos Spitals Einsiedeln bleibt geschlossen. Grund ist Personalmangel.

image

Kanton finanziert Virtual Reality am Kantonsspital Graubünden

Der Kanton Graubünden investiert über 1,8 Millionen Franken in die virtuelle Ausbildung von medizinischem Fachpersonal.

image

«Friendly Work Space» – diese Spitäler tragen neu das Label

Die Gesundheitsförderung Schweiz zeichnet Unternehmen aus, die besonders gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen schaffen.

image

Nach abruptem Abgang: Die Psychiatrie St. Gallen hat wieder eine Direktorin

Steffi Weidt wird im April 2024 Direktorin 'Medizin und Psychologie' der Psychiatrie St. Gallen.

image

«Künstliche Intelligenz wird Ärzte ersetzen, davon bin ich überzeugt»

KI stellt immer häufiger Diagnosen, an denen Mediziner scheiterten. Wie sehr wird der Arztberuf dadurch angegriffen?

Vom gleichen Autor

image

Urologie: 44 Spitäler wollten – diese 27 dürfen

In der Hochspezialisierten Medizin (HSM) wurden neue Leistungsaufträge vergeben – diesmal für zwei komplizierte Urologie-Operationen.

image

Nun steigt der Bestsmile-Gründer auch bei der Fortpflanzung ein

Ertan Wittwer hat schon viele Praxisketten gegründet. Seine neuste Idee: ein Unternehmen, das Fortpflanzungsmedizin anbietet.

image

Schweizer Ärzte haben zu wenig Zeit und fühlen sich überlastet

Der Personalmangel im Gesundheitswesen habe schwere Folgen, finden die Ärzte. Sie sorgen sich um die Patienten – und um die eigene Gesundheit.