Salmonellen: Darmflora spielt wichtige Rolle

Infektionen mit Salmonellen können diverse Krankheitsverläufe zur Folge haben. Ein Grund, weshalb einige harmlos und andere sehr schwer verlaufen, liegt in der Darmflora.

, 2. August 2021 um 11:52
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Eine Infektion mit Salmonellen kann sehr unterschiedliche Folgen haben. Während einige Infizierte gar nichts von der Ansteckung mit den Bakterien bemerken (asymptomatischen Verlauf) leiden andere unter starken Magen-Darm-Beschwerden. Im Extremfall kann eine Salmonelleninfektion sogar zum Tod führen. Warum die Erkrankung so unterschiedlich schwer ausfällt, war bisher weitgehend unbekannt.
Nun hat die Mikrobiologin Alyson Hockenberry, Postdoc in der Eawag-Forschungsabteilung Umweltmikrobiologie von Professor Martin Ackermann, eine mögliche Ursache entdeckt: die natürliche Darmflora des Infizierten und ihre Stoffwechselprodukte. 
Gemeinsam mit weiteren Forschenden des Wasserforschungsinstituts Eawag und der ETH Zürich hat sie herausgefunden, dass kurzkettige Fettsäuren (siehe Text unten), die von im Darm ansässigen Bakterien produziert werden, den Verlauf der Infektion entscheidend beeinflussen können.

Salmonellen haben Tricks auf Lager

Salmonellen gelangen meist über verunreinigte Lebensmittel in den Verdauungstrakt. Um die natürliche Darmflora möglichst schnell zu verdrängen und selbst den Darm zu besiedeln, haben die Krankheitserreger einige Tricks auf Lager: 
«Ein Trick ist das Ausbilden unterschiedlicher Zelltypen innerhalb einer Population genetisch identischer Bakterien», wird Hockenberry in der Medienmitteilung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zitiert. «Jeder Zelltyp ist auf eine bestimmte Aufgabe spezialisiert. Das bringt Vorteile mit sich, denn durch die Kooperation der unterschiedlichen Zelltypen erhöht sich die Fähigkeit der Salmonellen, Erkrankungen zu verursachen.»
Ein Zelltyp ist etwa darauf spezialisiert, Entzündungen in der Darmschleimhaut auszulösen. Die Entzündungen erhöhen einerseits die Nährstoffverfügbarkeit für die Salmonellen, andererseits führen sie zum Absterben der natürlichen Darmflora. So eröffnen sich Nischen für die Ansiedlung der eindringenden Krankheitserreger. 
Ein zweiter Zelltyp ist wiederum darauf spezialisiert, schnell zu wachsen und somit die frei werdenden Nischen möglichst rasch zu besetzen. Das Zusammenspiel der beiden Zelltypen verschafft den Salmonellen einen deutlichen Vorteil. Innert weniger Stunden können sie so die Bakterien der natürlichen Darmflora verdrängen und sich selbst breitmachen.

Darmflora wehrt sich

Die Darmflora ist jedoch nicht hilflos. Das Forscherteam um Alyson Hockenberry konnte mit Hilfe von Experimenten und stochastischen Simulationen zeigen, dass kurzkettige Fettsäuren, also die Stoffwechselprodukte der natürlichen Darmflora, das Wachstum des entzündungsauslösenden Zelltyps verlangsamen. 
Je höher die Konzentration der Fettsäuren war, desto stärker wurde das Wachstum gehemmt. «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Stoffwechselprodukte das kooperative Zusammenspiel der Zelltypen beeinflussen und dadurch die Ausbreitung der Salmonellen abschwächen können», so Hockenberry.

Ernährung macht den Unterschied

Das kann erklären, warum die Menschen so unterschiedlich auf eine Salmonelleninfektion reagieren. Jeder Mensch beheimatet eine sehr individuelle Zusammensetzung von Bakterien in seinem Darm. Ein Grund hierfür sind insbesondere die individuellen Ernährungsgewohnheiten. 
Während die Darmflora des einen also die Ausbreitung der Salmonellen vollständig verhindern könnte, kann die Darmflora eines anderen den Krankheitserregern nur wenig oder nichts entgegensetzen. Die Erkrankung nimmt ihren individuellen, von der Darmflora beeinflussten Verlauf.
«Wir hoffen, dass die neuen Erkenntnisse auch dazu beitragen werden, besser zu verstehen, wie asymptomatische Infektionen generell entstehen», sagt Alyson Hockenberry. «Denn Infektionen ohne Krankheitssymptome spielen häufig eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Krankheiten, wie wir das aktuell bei der Corona-Pandemie beobachten können.»
Originalartikel:
Microbiota-derived metabolites inhibit Salmonella virulent subpopulation development by acting on single-cell behaviors; Alyson M. Hockenberry, Gabriele Micali, Gabriella Takács, Jessica Weng, Wolf-Dietrich Hardt, Martin Ackermann; Proceedings of the National Academy of Sciences Aug 2021, 118 (31) e2103027118; DOI: 10.1073/pnas.2103027118 : https://doi.org/10.1073/pnas.2103027118
Was sind kurzkettige Fettsäuren?
Kurzkettige Fettsäuren bestehen chemisch gesehen aus kurzen Ketten mit zwei bis sechs Kohlenstoffatomen. Sie sind wichtige Stoffwechsel-Endprodukte im Darm und entstehen bei der Fermentation von Nahrungsbestandteilen durch die Darmbakterien.
Die wichtigsten kurzkettigen Fettsäuren, die aus Ballaststoffen entstehen, sind: 
  • Essigsäure (Acetat), 
  • Propionsäure (Propionat), 
  • Buttersäure (Butyrat) und 
  • Milchsäure (Laktat). 
Milchsäure wird durch die Bakterien hauptsächlich in die anderen kurzkettigen Fettsäuren umgewandelt (Cross-feeding). Nebst Ballaststoffen wird auch eine gewisse Menge an Eiweissen im Darm fermentiert. Daraus entstehen überwiegend Essigsäure und Propionsäure sowie andere Fettsäuren (verzweigtkettige Fettsäuren).
Im Normalfall hat Essigsäure einen Anteil von mehr als die Hälfte (60 Prozent). Propionsäure und Buttersäure sind in einem etwas geringeren Maße vorhanden (jeweils 20 Prozent). Das richtige Verhältnis ist wichtig für einen gesunden Darm.

So wirken Fettsäuren im Darm 

Der Grossteil an kurzkettigen Fettsäuren verbleibt entweder im Darminneren oder gelangt in die Zellen der Darmschleimhaut. Weniger als zehn Prozent werden mit dem Stuhl ausgeschieden.
Einerseits gewinnen die Darmbakterien aus ihnen Energie. Andererseits dienen sie auch den Zellen der Dickdarmschleimhaut als Energielieferant. Das gilt vor allem für Buttersäure. Darüber hinaus säuern kurzkettige Fettsäuren den Dickdarm an. Ein niedriger pH-Wert hemmt das Wachstum von krankmachenden Bakterien und Pilzen. Damit sorgt er für eine gesunde Mikrobiota.
Zudem dienen kurzkettige Fettsäuren im Darm als Signalmoleküle. Buttersäure reguliert zum Beispiel die Zellteilung. Im Hinblick auf Buttersäure wird deshalb unter anderem eine Antikrebswirkung diskutiert. 
Zusammen mit den Darmbakterien haben kurzkettige Fettsäuren Einfluss auf das Immunsystem. Vor allem Buttersäure unterdrückt Entzündungsreaktionen. Deshalb ist es Ziel der Mikronährstoffmedizin, bei Entzündungen im Darm die Menge an Buttersäure zu erhöhen – zum Beispiel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. 
Auch stärkt Buttersäure die Barrierefunktion. Damit ist die Darmschleimhaut besser abgedichtet. Das ist wichtig, damit keine Fremdstoffe oder Krankheitserreger über den Darm in das Blut gelangen.

Weitere Wirkungen im Körper

Kurzkettige Fettsäuren, die nicht von den Dickdarmzellen für die Energiegewinnung verbraucht werden, verlassen die Zellen und gelangen zur Leber. Propionsäure wird hauptsächlich in der Leber verstoffwechselt. Deshalb findet man davon nur geringe Mengen im Blut. Gleiches gilt für Buttersäure. Essigsäure kommt dagegen am meisten im Blutkreislauf vor. Über das Blut erreichen die kurzkettigen Fettsäuren andere Organe. Sie beeinflussen unter anderem Folgendes:
  1. Appetit: Kurzkettige Fettsäuren wirken im Stoffwechsel als Signalmoleküle. Sie fördern zum Beispiel die Bildung von Hormonen, die das Sättigungsgefühl regulieren (Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1)). Deshalb könnten kurzkettige Fettsäuren Einfluss auf das Körpergewicht haben.
  2. Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel: Forscher zeigten, dass kurzkettige Fettsäuren die Zuckerverwertung steigern sowie die körpereigene Bildung von Cholesterin herabsetzen. Dadurch könnten sie Einfluss nehmen auf Typ-2-Diabetes und auf Störungen im Fettstoffwechsel.
  3. Entzündungen: Kurzkettige Fettsäuren lindern nicht nur Entzündungen im Darm, sie könnten auch Entzündungen im gesamten Körper abschwächen – zum Beispiel sogenannte stille Entzündungen. Deshalb diskutieren Forscher einen Einfluss auf Arterienverkalkung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
  4. Nervensystem und Gehirn: Kurzkettige Fettsäuren können Nervenzellen im Körper schützen sowie ihre Regeneration unterstützen. Zudem gelangt Essigsäure aus dem Blut in das Gehirn. Dort kann sie Hormone und Nervenbotenstoffe beeinflussen. Krankheiten, auf die kurzkettige Fettsäuren positiven Einfluss nehmen könnten, sind zum Beispiel Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose oder Depressionen.
Quelle
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