Prämien und Gesundheitskosten: Läuft die Debatte falsch?

Die stetig steigenden Krankenkassen-Kosten sorgen gar nicht für wachsenden Unmut – im Gegenteil. Und der Leidensdruck könnte noch viel grösser sein als meist angenommen. Dies deutet eine repräsentative Umfrage der Schweizer Stimmbürger an.

, 6. Dezember 2017 um 11:03
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Was beschäftigt die Schweizer Stimmberechtigten? Seit vierzig Jahren zeigt das «Sorgenbarometer» der Credit Suisse auf, welche Probleme die Menschen im Land besonders beschäftigen. 
Das neue Barometer, gestern veröffentlicht, scheint nun auf den ersten Blick einen Standardsatz zu bestätigen: Die Gesundheitskosten werden mehr und mehr als Problem empfunden.
Denn in der repräsentativen Erhebung kam das Thema «Gesundheit/Krankenkassen» unter die zehn meistgenannten Probleme, konkret: Es landete auf Rang 4 – nach der Finanzierung von AHV und Alter, nach der Arbeitslosigkeit und dem Ausländer-Anteil. 
26 Prozent der Befragten sagten, die Gesundheitskosten seien eines der fünf Hauptprobleme im Land. Ein Jahr zuvor waren es noch 21 Prozent gewesen.

Problème? Quel problème?

Ein bemerkenswertes Detail macht hier aber bereits stutzig: In der Romandie – die bekanntlich konsequent höhere Gesundheitskosten ausweist – stellten nur 20 Prozent den Problembereich Gesundheit/Krankenkassen ins Zentrum, also deutlich weniger als in der Deutschschweiz.
Und vor allem: In der Langfrist-Entwicklung sind diese Zahlen ohnehin bescheiden. Der Anteil Stimmberechtigter, welche die Gesundheitskosten als Top-5-Problem bezeichnen, bleibe «weit unter dem Niveau zu Beginn der Nullerjahre», stellen die Autoren des Instituts GfS dazu fest.
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Ist die Krankenkassenprämie ein Problem? Entwicklung des Problembewusstseins in der Bevölkerung – im Vergleich zur Entwicklung der Krankenkassenprämien | Quelle/Grafik: GfS – Credit Suisse Sorgenbarometer
Zum Vergleich: Noch um die Jahrtausendwende erachteten fast zwei Drittel der Stimmberechtigten die Krankenkassenprämien als Kardinalproblem der Schweiz. Danach folgte ein stetiger Abstieg, gefolgt vom erwähnten «Hüpfer» im laufenden Jahr.
Kurz: Die Zahlen der Umfrage stehen im Widerspruch zur Problemwahrnehmung bei Gesundheitspolitikern, Medien, Krankenversicherern und auch Leistungserbringern aller Art. Jedenfalls wird das gängige Argument, dass das Volk die stetigen Prämiensteigerungen nicht weiter schlucken will und kann, vom CS-«Sorgenbarometer» nicht unbedingt gestützt.

Hier Prämien-, da Problem-Entwicklung

Interessanterweise entwickeln sich Prämien und Problem-Wahrnehmung in der Bevölkerung nicht eben parallel. Zwar verliefen die beiden Ebenen bis etwa 2009 noch recht parallel. Aber schon der klare Prämienanstieg 2010 wurde dann gar nicht so als arges Problem wahrgenommen. Und danach nahm die Bevölkerung die Prämien tendenziell immer weniger ernst – trotz der mittlerweile gängigen Anstiege in der Gegend von 3 bis 5 Prozent.
«Es bleibt abzuwarten, ob dieser Anstieg der Beginn eines nachhaltigen Trends ist oder nach diesem Sommer, wo das Thema die Medien durchaus mitbestimmte, wieder aus der Wahrnehmung der Stimmberechtigten verschwindet», so die GfS-Forscher.
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