Pflegeheime führen Qualitätskontrollen ein

Ab 2018 sollen in allen Pflegeheimen der Schweiz identische medizinische Qualitätsindikatoren erhoben werden. Damit werden gesetzliche Vorgaben erfüllt, die seit 1996 in Kraft sind, aber bisher nicht befolgt wurden.

, 5. Mai 2017 um 19:24
image
  • pflege
  • qualitätsmanagement
  • arbeitswelt
«Senesuisse wehrt sich gegen ständig steigende Bürokratie und zusätzlichen administrativen Aufwand». So steht es auf der Homepage des Verbands wirtschaftlich unabhängiger Alters- und Pflegeeinrichtungen. Doch dem zunehmenden Druck, Qualitätsindikatoren zu erarbeiten, können sich der Branchenverband beziehungsweise die ihm angeschlossenen Einrichtungen nicht entziehen. Schliesslich verlangt das KVG, dass die Leistungserbringer die Qualtät fördern und kontrollieren müssen.

Heimbewohner haben andere Bedürfnisse als Spitalpatienten

Laut Christian Streit, Geschäftsführer von Senesuisse, wird die Langzeitpflege zunehmend wie ein Spital betrachtet. Auch für Heimbewohner soll optimale Patientensicherheit gewährleistet sein. Man nennt die gleichen Problemfelder wie Infektion, Sturz, Dekubitus oder Probleme mit Medikamenten.
Doch Christian Streit weist darauf hin, dass die Qualitätsanforderungen in einem Akutspital oder einem Pflegeheim völlig unterschiedlich sind. «Man muss unterscheiden zwischen Pflegequalität und Lebensqualität.» Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einer Pflegeabteilung beträgt zweieinhalb Jahre. Für diese Zeit sei die Lebensqualität stärker zu gewichten.
  • image

    Christian Streit:

    «Niemand will in einer komplett sterilen Umgebung seinen Altersaufenthalt verbringen».

So dürfe man den Wohnbereich durchaus auch mit Teppichen ausstatten, auch wenn diese punkto Stolpergefahr, Hygiene und «Infektionsfreundlichkeit» nicht der Weisheit letzter Schluss seien. «Niemand will aber in einer komplett sterilen Umgebung seinen Altersaufenthalt verbringen», erklärt Streit.

Mundmasken? Nein danke

Gerade die Infektionsgefahr zeige die Unterschiede zwischen Spital und Heim deutlich. Beim kurzzeitigen Spitalaufenthalt stört man sich kaum daran, wenn das Pflegepersonal mit Mundmasken herumläuft. «Eine Besonderheit der Langzeitpflege besteht darin», so Christian Streit, «dass die Menschen dort leben und wohnen, wo sie betreut, gepflegt und auch medizinisch behandelt werden».
Während also im stationären Bereich der Akutspitäler seit 2009 durch den Verein ANQ Qualitätsmessungen durchgeführt werden, sollen die Pflegeeinrichtungen ab 2018 oder spätestens 2019 ebenfalls dazu bereit sein, bestätigt Christian Streit auf Anfrage. Die Daten werden danach vom Bundesamt für Gesundheit publiziert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Qualitätsdiskussion tritt in heisse Phase

Schon länger findet in Bundesbern eine heisse Debatte über Qualitätsmessungen im Gesundheitswesen statt. Nun will die Sozialkommission des Nationalrats Spitäler, Ärzte und Krankenkassen in die Pflicht nehmen.
Sie sollen gezwungen werden, nationale Verträge über die Qualitätsentwicklung abzuschliessen, welche vom Bund zu überprüfen und für alle Leistungserbringer verbindlich sind. Wer sich nicht an die Regeln hält, soll für seine Leistung von der Krankenkasse nicht vergütet werden. Wie das im Detail geschehen soll, ist noch unklar. Es finden derzeit Anhörungen zu diesem Thema statt.

Die 6 Qualitätskriterien

1: Mangelernährung: Prozentualer Anteil an Bewohner mit einem Gewichtsverlust von 5 Prozent und mehr in den letzten 30 Tagen oder 10 Prozent und mehr in den letzten 180 Tagen.
2. Bewegungseinschränkende Massnahmen: Prozentualer Anteil an Bewohner/innen mit täglicher Fixierung des Rumpfes oder mit Sitzgelegenheit, welche die Bewohner/innen am Aufstehen hindern in den letzten 7 Tagen.
3. Bewegungseinschränkende Massnahmen: Prozentualer Anteil an Bewohnern mit täglichem Gebrauch von Bettgittern und anderen Einrichtungen an allen offenen Seiten des Bettes, welche Bewohner/innen am selbständigen Verlassen des Bettes hindern, in den letzten 7 Tagen.
4: Medikation: Prozentualer Anteil an Bewohner/innen, die in den letzten sieben Tagen neun und mehr Wirkstoffe einnahmen.
5. Schmerz: Prozentualer Anteil der Bewohner/innen, die in den letzten sieben Tagen mässige und mehr Schmerzen angegeben haben (Selbsteinschätzung).
6. Schmerz: Anteil der Bewohner/innen, bei denen in den letzten sieben Tagen mässige und mehr Schmerzen beobachtet wurden (Fremdeinschätzung).
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Simulieren schafft Bewusstsein für die Pflege-Realität

Diese Zahl alarmiert: 40 Prozent der Pflegefachpersonen steigen in den ersten Berufsjahren aus. Am Swiss Center for Design and Health (SCDH) in Nidau bei Biel/Bienne können Entscheidungsträger:innen vorbeugen, indem sie unter Einbezug der Nutzenden im Massstab 1:1 bedürfnisgerecht planen.

image

ZURZACH Care führt Fachstrukturen ein – eine Innovation für Mitarbeitende und Patienten

Seit fast einem Jahr begleitet Denise Haller, Direktorin Pflege & Therapie, die Einführung von Fachstrukturen bei ZURZACH Care. Diese strukturellen Veränderungen haben nicht nur die Arbeitsweise der Rehakliniken nachhaltig beeinflusst, sondern das auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter gestärkt.

image

Universität Bern: 13 neue Master fürs Gesundheitsmanagement

Zum 13. mal schlossen Kaderleute den Masterstudiengang in Health Administration und Public Health der Universität Bern ab.

image

Arbeitszeit-Modelle: Erfolgsmeldung aus Bülach

Wer mehr Nachtschichten leistet und flexibel einspringt, wird honoriert: Die Idee des Spitals Bülach rechnet sich offenbar – in mehrerlei Hinsicht.

image

«Wir verzichten auf unnötige Dokumente wie Motivationsschreiben»

Die Spitex Region Schwyz hat so viele Job-Interessierte, dass sie Wartelisten führen muss und darf. Wie schafft man das? Die Antworten von Geschäftsführer Samuel Bissig-Scheiber.

image

LUKS: Neues Arbeitsmodell in der Pflege

Weniger Betten pro Pflegefachperson, mehr administrative Aufgaben für FaGe, mehr Ausbildungsplätze: Das Luzerner Kantonsspital testet Wege, um das Berufsfeld attraktiver zu machen.

Vom gleichen Autor

image

«Kritiker der Komplementärmedizin haben eine zu einseitige Sicht»

SP-Ständerätin Franziska Roth kritisiert im Interview die Haltung von Gegnern der Komplementärmedizin. Sie verkennen den Wert der ärztlichen Expertise.

image

Physiotherapie: Die Stolpersteine im Tarifstreit

Wie weiter im Tarifstreit in der Physiobranche? Die Frage ist: Welcher Streit – jener über die Tarifstruktur oder jener über den Preis?

image

So funktioniert die Sterbehilfe in Europa

In mehreren Ländern Europas ist die Sterbehilfe entkriminalisiert worden. Ein Überblick.