Mauro Poggia (Genf) und Pierre-Yves Maillard (Waadt) wollen das Gesundheitswesen mit neuen Volksinitiativen umkrempeln. Die beiden Regierungsräte haben vor, noch diesen Monat zwei Volksbegehren bei der Bundeskanzlei in Bern einzureichen.
Die erste Initiative möchte es den Kantonen ermöglichen, die Krankenkassenprämien selber festzulegen und einzuziehen; damit würde also die in der Romandie seit längerem diskutierte Idee von kantonalen Einheitskassen definitiv in Angriff genommen.
Auch VSAO und Hausärzte im Gespräch
Die zweite Initiative will es den Parlamentariern verbieten, Einsitz zu nehmen in Verwaltungsräten, Direktionen und Aufsichtsgremien von Krankenversicherern. Auch sollen ihnen alle Positionen bei Krankenkassen untersagt werden, die mit Geldzahlungen verbunden sind.
Das welsche
Radio RTS vermeldete das Projekt, nachdem Mauro Poggia die Sache im Kern bestätigt hatte. Die Unterschriftensammlung für beide Anliegen soll im Sommer beginnen. Für das Initiativkomittee seien unter anderem der Assistenz- und Oberärzte-Verband VSAO und der Verband der Hausärzte im Gespräch, aber auch die Konsumenten-Zeitschrift
«Bon à Savoir» oder die
Familien-Organisation MPF.
In der Hand derer, die bezahlen
Die Initiativen richteten sich nicht gegen die Privatversicherer, sagte Genfs Gesundheitsdirektor Mauro Poggia im Radio-Interview. Aber es gehe darum, dass die Gesundheitskosten wieder von jenen in die Hand genommen würden, die bezahlen.
Bei der ersten Initiative ist die Absicht klar: Sie will etwas unternehmen gegen die Lobby-Macht der Krankenkversicherer. Die andere Initiative sieht vor, dass die Kantone so genannte «Kompensationskassen» schaffen können: «caisses de compensation». Diese dürfen selber Prämien festlegen und sich an Tarifverhandlungen beteiligen; aber sie könnten sich auch in der Prävention engagieren.
Es steht den Kantonen frei, ob sie solche Kompensationskassen einführen wollen – und auch, ob sie dabei gemeinsam mit anderen Kantonen vorgehen wollen.
Nichts gegen private Versicherer, aber…
Private Krankenkassen sollen dabei weiter bestehen – auch in den Kantonen mit Kompensationskassen –, allerdings wären die Prämien in der Grundversicherung dieselben. Pierre-Yves Maillard, der Waadtländer Gesundheitsdirektor, sagte in der Zeitung «24 heures», dass man sich davon kaum massive Prämiensenkungen erhoffen dürfte – doch zumindest bei weiteren Erhöhungen könnte sich das Modell positiv auswirken. Zum Beispiel, weil die Versicherten viel weniger wechseln würden.
Bemerkenswert ist, dass sich in der Romandie damit eine interessante Links-Rechts-Allianz anbahnt, bei der Mauro Poggia vom rechtspopulistischen Mouvement citoyens genevois MCG und Pierre-Yves Maillard von der SP nur die äusserlichen Aushängeschilder sind. Im Projekt der kantonalen Einheitskassen haben auch Familien- und Konsumenten-Organisationen sowie diverse CVP-, Juso- und SP-Sektionen ihr Interesse oder Engagement bekundet.
Genf und Waadt waren für Einheitskasse
Im Hintergrund steht, dass die Idee einer Einheits-Krankenkasse zwar in allen nationalen Volksabstimmungen verworfen wurde, aber in der Romandie doch sehr populär ist. Die letzte Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» konnte 2014 in Genf, Neuenburg, im Waadtland und im Jura eine Mehrheit der Stimmbürger hinter sich vereinen.