Versicherer zweifeln Pandemie als Verlustgrund an

Tiefrote Zahlen der Spitäler werden zwar mit Corona erklärt, haben aber offenbar nicht immer damit zu tun. Dies behaupten die Krankenkassen.

, 26. April 2021 um 07:30
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Fast alle Spitäler standen Ende Jahr in der Verlustzone, wie die aktuellen Jahresabschlüsse zeigen. Als Erklärung geben die Häuser das OP-Verbot und Mehrkosten für Covid-19 Patienten an. Die Krankenkassen können die Verluste allerdings nicht nachvollziehen. Sie haben Spitälern im Jahr 2020 gleich viel Geld überwiesen wie im Jahr vor der Pandemie. Dies zeigen Marktzahlen des Krankenkassenverbands Santésuisse. 
«Wir können in den Zahlen keinen Ertragseinbruch sehen», sagt Direktorin Verena Nold der «NZZ am Sonntag» (Abo). Für ambulante und stationäre Behandlungen in der Grundversicherung flossen 13,7 Milliarden Franken; das sind 0,5 Prozent mehr als 2019.

Erträge trotz Investitionen ausgeblieben

Die Erklärung mit den ausgefallenen Operationen greift laut Verena Nold nicht: «Hätte ein Einbruch stattgefunden, würden wir das in unseren Zahlen sehen», sagt sie der Zeitung. 
Im vergangenen Jahr wurden im Sommer zudem Operationen nachgeholt, es gab kein Sommerloch wie gewöhnlich. Auch Mindereinnahmen aus den Zusatzversicherungen oder die tiefere Auslastung lässt Nold nur bedingt als Erklärung für die roten Zahlen gelten.

Ein Fünftel der Spitäler konkursgefährdet

Die Krankenkassen sehen nur einen indirekten Zusammenhang zwischen Verlusten und Corona. Die Spitäler hätten investiert, doch die erhofften Erträge seien wegen der Pandemie ausgeblieben, sagt Verena Nold weiter. 
Für Patrick Schwendener von der Beratungsfirma PWC sind coronabedingte Zusatzkosten «nur untergeordnet» für die Mindereinnahmen der Spitäler verantwortlich. Der Mehrheit gelinge es nach wie vor nicht, ein nachhaltiges Ergebnis zu erzielen. Ein Fünftel der Spitäler seien konkurs- oder sanierungsgefährdet, sagt der Spitalexperte zur «NZZ am Sonntag». 

Was der Spitalverband Hplus dazu sagt

Der Spitalverband Hplus hält es laut NZZaS für verfrüht, Aussagen zu den Effekten von Covid-19 auf die Abrechnungen zu machen. Erfahrungsgemäss gebe es zwischen Behandlung und Bezahlung eine Verzögerung, sagt Direktorin Anne Bütikofer. Zudem seien die Fallpauschalen für Covid-Patienten zu tief angesetzt und deckten die effektiven Kosten nicht.
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