Könnte es sein, dass wir bald massiv weniger Hausärzte brauchen?

Durchaus. Denn mit der Digitalisierung könnten dereinst Millionen Arztbesuche wegfallen.

, 30. Mai 2016 um 10:00
image
  • praxis
  • trends
Dass es an Allgemeinpraktikern fehlt und dass dieser Mangel in den nächsten Jahren immer grösser wird: Dies gehört zu den kaum bestrittenen Weisheiten in den Debatten der Gesundheitsbranche. 
Aber dass die – ebenso eifrig debattierte – Digitalisierung hier entgegenwirken könne, wird bestenfalls geahnt. 
Eine recht anschauliche Schilderung dieses «Sparpotentials» bietet nun der Medikamentenmanager Andreas Krebs. Er ist Aufsichtsrats-Vorsitzender von Merz Pharma und zugleich Gründer eines eigenen Venture-Capital-Unternehmens.

40 Prozent weniger Arztbesuche

Im Interview mit der «Handelszeitung» schilderte Krebs vor allem die Allgemeinmediziner als Spezies, der ein grosser Wandel und Abbau bevorsteht. Weshalb?
Da wäre zuerst einmal das Potential der Telemedizin: «Mit virtuellen Konsultationen können reale Arztbesuche erfahrungsgemäss um rund 27 Prozent reduziert werden, wenn diese übers Telefon abgewickelt werden», so Krebs. «Über Video reduzieren sich reale Besuche um bis zu 40 Prozent. Das würde allein für Deutschland circa 100 Millionen Praxis-Arztbesuche weniger bedeuten.»
Hinzu kämen viele Tests, die im Rahmen der Digitalisierung hinfällig werden – meist Routinetests, die bei Arztbesuchen immer wieder repetiert werden.

Schneller zum Spezialisten

Ebenfalls weniger Leistungen würden benötigt, wenn man höhere Hürden für Arztbesuche einbauen könnte. Auch hier vergleicht Krebs die deutschen Zahlen: «In Deutschland besucht jeder gesetzlich Versicherte pro Jahr im Durchschnitt 18 Mal einen Arzt. In Schweden sind es nur drei Besuche. Das liegt auch daran, dass die Hürden einen Arzt aufzusuchen in Deutschland zu niedrig sind.»
Klar sei jedenfalls, dass sich das Gesundheitswesen personell verändern wird – «bestimmt». Betroffen seien vor allem die Allgemeinmediziner. Dies auch, weil sich die Patientenwege verändern werden: «Kranke werden schneller zum Facharzt überwiesen, es wird weniger Hospitalisierungen geben.» Auch würden alternative Behandlungsmethoden zunehmen.
Noch arbeite das System gegen innovative Modelle bei der Zusammenkopplung der einzelnen Angebote – und das gelte auch für die Schweiz: Sinnvolle Lösungen würden abgelehnt, «etwa Gesundheitskarten mit Chip, die registrieren, welche Tests bereits durchgeführt wurden. Abklärungen werden oft von verschiedenen Ärzten mehrfach gemacht. Ausserdem bangen viele Anbieter in der Wertschöpfungskette um ihr Business, sollten sich digitale Optionen durchsetzen.»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Starthilfe bar auf die Hand: Deals zwischen Labors und Ärzten kosten Millionen

Während Labors die Mediziner mit Kickbacks belohnen, steigen die Kosten für Laboranalysen.

image

Tarmed-Streit: Ärzte demonstrieren in Genf

Die Genfer Grundversorger sind nicht mehr bereit, weitere Senkungen ihres Einkommens hinzunehmen.

image

Eine Börse für Praxis-Stellvertretungen

Die Jungen Haus- und KinderärztInnen Schweiz JHaS entwickelten eine Plattform, die erstens jungen Medizinern und zweitens Niedergelassenen helfen soll.

image

Datenanalyse: Antibiotikaresistenz wird zum Altersproblem

Der Anteil der Todesfälle wegen Resistenzen sank in den letzten Jahren. Aber die gesellschaftliche Alterung dürfte das Problem nun verschärfen.

image

Nächster Fall: Notfallpraxis der Hausärzte in Sursee schliesst

Das Bundesgerichtsurteil gegen Inkonvenienz-Pauschalen für Walk-in-Praxen und Permanencen hat weitere Folgen.

image

10 Forderungen: So wird die Arztpraxis barrierefrei

Viele Praxen sind für beeinträchtigte Menschen schwer zugänglich. Stufen sind nur eine von vielen Hürden.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.