Professor schimpft: Kennen Sie das «Papa-Doc-Syndrom»?

«Schlamperei» – «Wunschdenken» – «Verirrung»: Ein angesehener Kardiologe aus Schottland faucht in einer Fachzeitschrift gegen «Aspirin-Evangelisten».

, 12. Februar 2018 um 11:10
image
  • kardiologie
  • medikamente
  • ärzte
  • forschung
image
John G.F. Cleland | Royal Brompton Hospital
John G.F. Cleland ist ein international renommierter Herzinsuffizienz-Experte. Der Kardiologe forscht am Robertson Institut für Biostatistik und Klinische Studien an der Universität Glasgow.
Im «Journal of the American College of Cardiology» wettert Cleland jetzt gegen Acetylsalicylsäure – bekannt als Aspirin. «Aspirin ist ein gutes Beispiel für jene Schlamperei, wie sie durch Leute hervorgerufen wird, die voreilige Schlüsse ziehen, welche auf Wunschdenken und fehlerhaften Daten beruhen», schreibt Cleland.

«Langzeitverordnung ist eine Sucht» 

Und weiter: «Die Verirrung hört deshalb nicht auf, Verirrung zu sein, weil die Mehrheit sie teilt», zitiert Cleland den Schriftsteller Leo Tolstoi. Die Langzeit-Verordnung von Acetylsalicylsäure (ASS) sei zur Gewohnheit, ja zu einer Sucht geworden – speziell der Kardiologen. Cleland hat auch einen Namen dafür: 
«PAPA-DOC»-Syndrom: Physicians Addicted to Prescribing Aspirin – a Disorder Of Cardiologists.
Anlass für die Schelte ist eine vor kurzem veröffentlichte Studie, bei der es um Herzinsuffizienz-Patienten geht. Wissenschaftler um Christian Madelaire vom Unispital Kopenhagen stellen darin die Frage, ob die Langzeit-Behandlung mit niedrig dosiertem ASS bei Herzinsuffizienz überhaupt nützt.

«Unfähig, wissenschaftliche Argumente zu folgen»

Die Antwort der Studienautoren: Nein. Es könnte sogar schaden, so die Forscher. Die Gesamtsterblichkeit war unter Low-dose-ASS nicht geringer, dafür war das Herzinfarktrisiko erhöht. Cleland hat bereits wiederholt auf die unsichere Datenlage in Bezug auf Acetylsalicylsäure als Prophylaktikum hingewiesen.
In Studien wird darüber hinaus befürchtet, dass ASS sich eher negativ auf kognitive Funktionen, auf das Gehör und das Sehen auswirkt. «Das könnte der Grund sein, warum einige Aspirin-Evangelisten unfähig sind, wissenschaftlichen Argumenten zu folgen», so Cleland.
Quelle und mehr: 

  • «Prominenter Kardiologe wettert gegen Aspirin-Evangelisten in den eigenen Reihen», «Medscape».

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

CHUV: Aus Spenderstuhl wird Medizin

Das Universitätsspital Lausanne ist das erste Schweizer Spital mit Swissmedic-Zulassung zur Herstellung eines Medikaments aus Fäkalbakterien.

image

Unfaire Behandlung? Beim Herzstillstand spielt das Geschlecht eine Rolle

Eine grosse Schweizer Studie zeigt bedenkliche Unterschiede: Frauen kommen nach einem Herzstillstand seltener auf die Intensivstation, werden laxer behandelt und sterben eher als Männer.

image

Diese Studien könnten demnächst die Medizin verändern

Experten kürten für das Fachmagazin «Nature Medicine» jene klinischen Studien, die demnächst die Landschaft neu prägen könnten – darunter ein Projekt von Novartis.

image

Musik ist ein chirurgisches Hilfsmittel

Wer nach einer Operation Musik zu hören bekommt, benötigt weniger Schmerzmittel, hat weniger Ängste – und auch sonst bessere Werte. Am US-Chirurgenkongress wurden dazu vielversprechende Ergebnisse präsentiert.

image

Das werden die 10 Umsatz-Hits bei den Medikamenten

Krebsmedikamente werden auch dieses Jahr die Umsatz-Statistik anführen. Das prognostiziert die Plattform Statista.

image

BFS-Studie: Milliarden für Forschung und Entwicklung

2023 investierten Schweizer Privatunternehmen knapp 18 Milliarden Franken in Forschung und Entwicklung. Gesundheit bleibt der wichtigste Fokus.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.