In Unispitälern herrscht ein rauher Umgangston

Vor allem jüngere Ärzte und erst recht Ärztinnen leiden unter dem rauhen Umgangston in Unispitälern.

, 29. Dezember 2020 um 07:26
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Wie kommunizieren Ärztinnen und Ärzte untereinander? Gibt es Unterschiede zwischen den Generationen? Dieser Frage ist die Fachhochschule Nordwestschweiz nachgegangen. Was man intuitiv vermutet, ist wissenschaftlich erhärtet worden: Bei jüngeren Ärztinnen und Ärzten ist der Umgangston wichtiger als bei abgeklärten Semestern der Babyboomer-Generation. Und wenn der Umgangston zu wünschen lässt, so drückt sich das auf die Zufriedenheit aus. Mit Jüngeren ist die Generation Y gemeint, die Jahrgänge 1981 bis 2000.

«Über ein Drittel der Befragten geben an, zu wenig Wertschätzung für ihre Arbeit zu erhalten, was sich auf ihre Arbeitszufriedenheit auswirkt.»

Wie in der am Donnerstag veröffentlichten Studie zu lesen ist, verlangen Ärzte der Generation Y nach mehr Feedback, auch wenn sie in höheren Funktionen tätig sind. Jedoch bekommen alle Ärzte nicht so viel Rückmeldungen wie sie sich das wünschten. Insbesondere Frauen erhalten grundsätzlich weniger Feedback als ihre männlichen Kollegen.
Über ein Drittel der Befragten geben an, zu wenig Wertschätzung für ihre Arbeit zu erhalten, was sich auf ihre Arbeitszufriedenheit auswirkt.
Studienleiterin Sabina Heuss erklärt gegenüber Medinside, die meisten Ärztinnen und Ärzte, aber insbesondere jene der Generation Y, würden von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einem motivierenden Führungsstil profitieren. «Dies würde dazu beitragen, ihre Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden deutlich zu steigern.»

«Über alle Antworten hinweg bewerten die in einem Universitätsspital tätigen Ärzte den Umgangston am negativsten.»

Generell könne gesagt werden, dass der Umgangston und die Informationsqualität in Schweizer Spitäler eher positiv empfunden würden. Das gilt freilich nicht für Universitätsspitäler. «Über alle Antworten hinweg bewerten die in einem Universitätsspital tätigen Ärzte den Umgangston am negativsten», steht in der Studie zu lesen. Die Differenzen zu anderen Spitaltypen seien «hochsignifikant.»
Wissenschaftlich ausgedrückt heisst das: «Die Generation Y zeigt eine starke Korrelation und Kausalität mit der Arbeitszufriedenheit. Frauen, Assistenzärzte, Lateinischsprechende Ärztinnen und Ärzte aus Universitätsspitälern erleben den Umgangston negativer und zeigen damit auch schlechtere Arbeitszufriedenheitswerte.»

«Ärzte in Universitätsspitälern sind häufiger resigniert unzufrieden oder resigniert zufrieden.»

Wie nicht anders zu erwarten, hat dies Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit. «Ärzte in Universitätsspitälern sind häufiger resigniert unzufrieden oder resigniert zufrieden», sagt Sabina Heuss. Sie geben häufiger an, zu wenig Zeit für ihre Aufgaben zu haben. Es bereitete ihnen häufiger Mühe, sich zu entspannen. Aus Angst vor negativen Folgen würden sie ihre Meinung häufiger zurückhalten.
Nicht nur zwischen Spitälern, auch zwischen Bereichen hat Sabina Heuss «signifikante Unterschiede» herausgefunden. Umgangston und Qualität der Information wird in der Chirurgie als negativer empfunden als bei den medizinischen und psychiatrischen Fächern. Die Unterschiede sind signifikant, so wie dies medizinische Literatur und stereotypische Beschreibungen vermuten liessen.
Am ehesten zufrieden mit Umgangston und Informationsverhalten ihrer Vorgesetzten zeigten sich Ärztinnen und Ärzte in Rehakliniken oder Rehaspitälern.

«Chirurgen empfinden den Umgangston am negativsten. Auf ihr Wohlbefinden scheint das keinen Effekt zu haben.»

«Was ich selbst spannend fand ist der Umstand», so Sabina Heuss im Gespräch mit Medinside, dass zwar die Chirurgen von allen Fachbereichen den Umgangston am negativsten empfanden, auf ihr Wohlbefinden das aber keinen Effekt hatte. «Scheinbar sind sie da abgehärteter als andere Mediziner.»
Was man in der Gesellschaft beobachten kann, spiegelt sich auch in Spitälern: Die Arbeit hat bei den Babyboomern den höchsten Stellenwert. Er nimmt bei den darauffolgenden Generationen ab. Am tiefsten ist er bei der Generation Y, obschon die jüngeren Ärztinnen und Ärzte ihre Karriere noch vor sich haben. Ihnen ist aber die Freizeit am wichtigsten. Die vieldiskutierte Work-Life-Balance ist bei der Generation Y Realität.
Sabina Heuss ist auch der Frage nachgegangen, weshalb Ärztinnen und Ärzte den Beruf an den Nagel hängen. Das Resultat entspricht im Wesentlichen der Laufbahnberatung des Verbands schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO). Hauptgründe für den Ausstieg sind Pensen, Arbeitszeiten sowie die Kinderbetreuung, die sich häufig mit dem Beruf nicht vereinbaren lässt. Doch schon an dritter Stelle folgt «Zu wenig Wertschätzung bei der Arbeit.»
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Ob wohl die Spitäler diesen Trend erkannt und entsprechende Massnahmen ergriffen haben? Die Antwort auf diese Frage war nicht Gegenstand der Studie. Vieles deutet darauf hin, dass die Antwort auf diese Frage mit Nein zu beantworten ist.   
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