Für Arzneimittel-Werbung am Fernsehen sind nur Schnellsprecher gefragt

«Diesisteinzugelassenesarzneimittellassensiesichvoneinerfachpersonberatenundlesensiediepackungsbeilage»: Wer für Medikamente wirbt, muss strenge Regeln einhalten.

, 10. Juli 2019 um 05:03
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«Ich hätte gerne dieses Fiebermittel mit dem grünen Monster, das auf dem Kopf sitzt»: Kunden mit solchen Wünschen, sind in Apotheken keine Seltenheit. Wer in der Apotheke arbeitet, muss mitunter auch Werbespots kennen. Denn Kunden fragen immer wieder nach dem Wundermittel aus der Werbung.
Auf Fernseh-Werbung sprechen Kunden sehr gut an. Es gibt sogar deutsche Versandapotheken, welche im Internet direkt die TV-Zuschauer ansprechen: «Sie suchen Medikamente, die Sie in der TV-Werbung gesehen haben? Dann sind Sie bei uns genau richtig. Nachfolgend haben wir für Sie eine aktuelle Vorauswahl aller Arzneimittel aus der TV-Werbung zusammengestellt.»

Swissmedic kontrolliert, ob der Wortlaut stimmt

Allerdings ist Arzneimittelwerbung am Fernsehen so streng reglementiert wie keine andere Reklame. Beworben werden dürfen sowieso nur rezeptfreie Arzneimittel. Der fertige Werbespot muss Swissmedic zur Kontrolle vorgelegt werden. Und vor allem muss er einen Hinweis enthalten, der im genauen Wortlaut und nach strengen Vorgaben gesprochen werden muss.

Für Medikamenten-Werbung im Fernsehen ist Wort für Wort vorgeschrieben

Bei TV-Werbung für ein Arzneimittel muss am Schluss der Werbesendung der folgende Pflichthinweis eingeblendet und gleichzeitig von einem Off-Sprecher für den Fernsehzuschauer verständlich gesprochen werden:
  • Deutsch: «Dies ist ein zugelassenes Arzneimittel. Lassen Sie sich von einer Fachperson beraten und lesen Sie die Packungsbeilage.» (Plural: «Dies sind zugelassene Arzneimittel...»)
  • Französisch: «Ceci est un médicament autorisé. Demandez conseil à votre spécialiste et lisez la notice d’emballage.» (Plural: «Ce sont des médicaments autorisés...»)
  • Italienisch: «È un medicamento omologato. Rivolgersi allo specialista e leggere il foglietto illustrativo.» (Plural: «Sonomdei medicamenti omologati...»)
Dieser Pflichthinweis muss gut lesbar als Standtext auf einfarbigem Hintergrund eingeblendet werden und mindestens einenDrittel des Gesamtbildes aufweisen.
Die Texte müssen so übernommen werden und dürfen nicht geändert werden, da der Wortlaut gesetzlich vorgegeben ist. Hintergrundmusik oder -geräusche sind nicht erlaubt.
Dass die Werber diesen wenig attraktiven Pflichtteil möglichst schnell hinter sich bringen möchten, ist verständlich. Gerade mal 4,90 Sekunden hat zum Beispiel der Sprecher in der Algifor-Werbung für den vorgeschriebenen Satz.

Rekordzeit unter vier Sekunden

Das hat kürzlich ein «Beobachter»-Journalist extra gestoppt. In seiner Rangliste landete dieser Sprecher allerdings nur auf Rang 3. Besser schnitt Flector mit 4,76 Sekunden ab. Und Sieger war Pretuval mit 3,81 Sekunden. Das sind fast neun Silben pro Sekunde.
Dass Swissmedic die Arzneimittelwerbung so streng reglementiert und kontrolliert, hat einen guten Grund. Zwar stellen pharmanahe Interessensvertreter immer wieder mal eine Lockerung der geltenden Bestimmungen zur Diskussion. Dabei führen die Befürworter einer solchen Liberalisierung ins Feld, dass die Patienten selber entscheiden wollen, welche Arzneimittel sie haben möchten.

Werbung für rezeptflichtige Arzneien ist fast überall verboten, ausser in den USA

Doch nicht nur in der Schweiz, sondern fast in allen anderen Ländern ist es verboten, für rezeptpflichtige Medikamente direkt bei den Patienten zu werben. Reklame für solche Medikamente darf nur in Fachmedien für Ärzte und Apotheker erscheinen.
Einzig in den USA dürfen sich die Pharmafirmen auch mit ihren rezeptpflichtigen Arzneimitteln direkt an die Patienten richten. Die Folgen: Pro Jahr werden in den US-Medien insgesamt 4,6 Millionen Anzeigen geschaltet, davon 663 000 im Fernsehen. Das hat eine Studie der Gesundheitsforscher Lisa M. Schwartz und Steven Woloshin gezeigt, die im Fachblatt JAMA des US-amerikanischen Ärzteverbandes veröffentlicht wurde.

Auch teure Krebsmittel werden beworben

Der Trend, so heisst es in der Studie, gehe immer mehr zu besonders teuren Behandlungen wie Immuntherapien gegen Krebs und biotechnologisch hergestellten Medikamenten. Bei den Kampagnen geht es nicht nur darum, Ärzte und Patienten vom Nutzen bestimmter Pillen, Untersuchungen oder Labortests zu überzeugen. Teilweise zielen sie auch darauf ab, die Definition bestimmter Krankheiten zu verändern, sodass mehr Personen für eine Behandlung in Frage kommen.
Unter allen Ländern der Welt haben die USA im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt mit 16,8 Prozent die zweithöchsten Gesundheitskosten. In der Schweiz sind es 12,2 Prozent, im Nachbarland Deutschland 11,2 Prozent.
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