Die freie Arzt- und Spitalwahl könnte durchaus zur Diskussion gestellt werden

Ob da die Tarmed-Blockade hineinspielt? Die Schweizer Bürger sprechen den Ärzten spürbar weniger gesundheitspolitische Kompetenz zu. Dies besagt der neue «Gesundheitsmonitor».

, 19. Juni 2017 um 10:04
image
  • politik
  • gesundheitskosten
Herr und Frau Schweizer haben jede Hoffnung aufgegeben: Sie wissen, dass die Gesundheitskosten stetig steigen – und sie wissen es immer klarer. Diese Aussage lässt sich jedenfalls aus dem neuen «Gesundheitsmonitor» ziehen. In der Umfrage, erarbeitet vom Institut gfs für Interpharma, erwarteten 92 Prozent, dass die Kosten im Gesundheitswesen weiterhin zunehmen werden. Dies waren satte 26 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Das hat eine Kehrseite. Denn die Repräsentativumfrage unter 1'200 Stimmberechtigten aus der ganzen Schweiz zeigt auch, dass die Menschen immer stärker bereit sind, zur Kostensenkung auch Einschränkungen hinzunehmen:

  • 65 Prozent wären bereit, auf die freie Spitalwahl zu verzichten;
  • 60 Prozent wären bereit, eine eingeschränkte Therapiefreiheit zu akzeptieren;
  • 54 Prozent wären dafür zu haben, dass beim Leistungskatalog gekürzt würde;
  • 51 Prozent würden auch auf die freie Arztwahl verzichten.

Keine Mehrheit fand allerdings der Vorschlag, dass zur Kostensenkung den Zugang zu neuen Medikamenten eingeschränkt werden solle: Hier waren nur 43 Prozent bereit, «auf jeden Fall» oder «je nach Höhe Kostensenkung» dem Einschnitt zuzustimmen.
image
Haltung gegenüber Massnahmen zur Kostensenkung
Auf grosse Sympathie stossen andererseits gewisse «Soft-Massnahmen», mit denen insbesondere die Versicherer ins Kostenmanagement eingreifen könnten (falls sie dürften).
Mehrheiten von rund zwei Dritteln oder mehr fanden sich für folgende Forderungen:

  • Gesundheitsförderndes Verhalten (regelmässige Bewegung, gesundes Essen) sollte mit einem Bonus belohnt werden: 72 Prozent.
  • Krankenkassen sollen auch Behandlungen im Ausland bezahlen, wenn diese günstiger sind als in der Schweiz: 69 Prozent.
  • Medikamente für Bagatellen sollen von den Krankenkassen nicht mehr bezahlt werden: 65 Prozent.
  • Wenn die Prämien in einem Jahr viel stärker ansteigen als die Löhne, sollen automatisch Massnahmen zur Kostenbegrenzung ausgelöst werden, beispielsweise eine Deckelung der Leistungen: 61 Prozent.



Bei der Einschätzung der Kompetenz fällt eine Verschiebung speziell ins Auge: Die Einschätzung der Ärzte sinkt – und zwar sinkt sie seit Jahren stetig. Auf die Frage, wer denn als gesundheitspolitisch kompetent gilt, erhielten die Mediziner dieses Jahr einen Mittelwert von 7,1 von maximal 10 Punkten. Vor fünf Jahren war die Note noch im Bereich von 8 und darüber gelegen. 
image
Wer wird als kompetent in Fragen der Gesundheitspolitik beurteilt? Quelle: gfs Bern | Gesundheitsmonitor 2017
Auf der anderen Seite wurden die Wissenschafter spürbar als kompetenter beurteilt. Sie holten die Bundesämter ein, welche von den Stimmbürgern diesmal leicht tiefer eingestuft wurden.
Die Pharmaindustrie landete mit einem Wert von 6,7 auf dem vierten Platz. Die Gesundheitspolitiker, denen im Vorjahr noch hohe Kompetenz zugeschrieben worden war, liegen mit Note 6,2 (–0,9) wieder auf dem Niveau von 2015. Auch den Konsumentenorganisationen wurde 2017 weniger Kompetenz in Fragen des Gesundheitswesens zugeschrieben.
Die Ergebnisse der Befragung zum Gesundheitsmonitor 2017 basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1200 Stimmberechtigten aus der ganzen Schweiz, welche gfs.bern im Auftrag von Interpharma durchgeführt hat.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Prämienverbilligung: Nationalrat hält am Ausbau des Systems fest

Anders als der Ständerat will der Nationalrat den Ausbau der Prämienverbilligungen nicht vor sich herschieben. Er hält am indirekten Gegenvorschlag fest.

image

Horrender Lohn im Luks-Verwaltungsrat gibt zu reden

Der VR-Präsident des Luzerner Kantonsspitals hat in den letzten Jahren satte Lohnerhöhungen erhalten. 2021 soll die Luzerner Regierung damit die eigenen Vorgaben gesprengt haben.

image

Die Spielsucht in der Schweiz hat sich verdoppelt – nun handeln die Kantone

Eine neue eGames-Studie zum Online-Geldspielverhalten in der Schweizer Bevölkerung zeigt besorgniserregende Zahlen. Jetzt schalten sich die Kantone ein.

image

Genfer Gesundheitspolitikerin hat den Lead bei der Tabakprävention

Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle ist die neue Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz. Sie will die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» strikt umsetzen.

image

Psychiatrie: UPD schreibt Verluste und kündigt deshalb die Tarifverträge

Die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern können mit den derzeitigen Tarifen nicht kostendeckend arbeiten. Zudem sind zentrale Angebote unterfinanziert.

image

Herr Eggimann: Ist das Geschäft mit dem Pap-Abstrich eine Geldmacherei?

Viele Fachärzte bestellen Frauen immer noch zur sogenannten Jahreskontrolle. Dieses Vorgehen ist veraltet und unnötig. Der SGGG-Generalsekretär spricht über den Umbruch in der Gynäkologie.

Vom gleichen Autor

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.

image

Wer will bei den Helios-Kliniken einsteigen?

Der deutsche Healthcare-Konzern Fresenius sucht offenbar Interessenten für den Privatspital-Riesen Helios.

image

Deutschland: Investment-Firmen schlucken hunderte Arztpraxen

Medizin wird zur Spielwiese für internationale Fonds-Gesellschaften. Ärzte fürchten, dass sie zu Zulieferern degradiert werden.