«Der Tardoc ist keine sinnvolle Lösung»

Der Tardoc löse die Probleme im ambulanten Bereich nicht, sagt Gesundheitsökonom Heinz Locher. Ihm schwebt eine andere Lösung vor. Zudem nimmt er die Spitäler in die Pflicht.

, 13. Mai 2019 um 13:00
image
  • spital
  • tarmed
  • tardoc
  • curafutura
  • fmh
  • hplus
Die Akteure verhandeln, diskutieren und streiten seit Jahren über mögliche Nachfolgelösungen für den Tarmed. Nun zeichnet sich erstmals eine Lösung ab. Der Ärzteverband FMH und der Krankenkassenverband Curafutura haben eine neue Tarifstruktur ausgehandelt, den Tardoc. Die beiden Verhandlungspartner hoffen auf eine baldige Genehmigung durch den Bundesrat, wie Recherchen von Medinside zeigen
Gesundheitsökonom Heinz Locher warnt bezüglich des Tardoc hingegen vor einem Schnellschuss. Für ihn ist es zwar «verdienstvoll und eine grosse Leistung», die FMH und Curafutura geleistet haben. Als ambulante Tarifstruktur sei der Tardoc aber keine sinnvolle Lösung für die Zukunft.
Denn der Tardoc übernehme die Fehler, welche die Tarmed-Struktur seit längerem aufweise. Dies, weil einzelne Leistungen unabhängig von der Art des Anbieters mit denselben Taxpunkten abgegolten werden. «Man kann aber nicht eine Hausarztpraxis, eine spezialärztliche Praxis, ein Ambulatorium und ein klinisches Ambulatorium gleich behandeln», erklärt Locher. Es sei deshalb unmöglich, dass die Tardoc-Punkte für die verschiedenen Anbieter stimmten.
Für Locher ist deshalb klar: «Es braucht nicht eine neue Struktur, sondern deren vier.» Für alle der oben erwähnten Anbieterkategorien eine. Andernfalls würden die Spitäler wie bis anhin für ihre ambulanten Angebote zu schlecht abgegolten - oder die in freier Praxis tätigen Medizinerinnen und Mediziner zu gut.
Wieso handeln Spitäler nicht direkt einen Tarifvertrag aus?
Die Spitäler - und ihr Dachverband H plus - möchten am liebsten eine Fallpauschale einführen. Dem Vernehmen nach möchten sie dazu von den stationären Fallpauschalen schlicht 25 Prozent abziehen. Um die unter den zu tiefen Tarmed-Ansätzen leidenden Spitäler zu entlasten, könnte sich Locher die Einführung solcher Pauschalen vorstellen. Dies aber nur als Übergangslösung. 
Gleichzeitig nimmt Locher die Spitäler in die Pflicht. Diese könnten das von ihnen propagierte Fallpauschalenmodell zusammen mit den Krankenkassen jederzeit einführen. 
image
Der Gesundheistökonom Heinz Locher ist ein fundierter Kenner des Gesundheitswesens. Hier bei einem Auftritt in der Arena des Schweizer Fernsehens. | Screenshot SRF
Dies in der niederschwelligeren Form eines Tarifvertrags. «Das die Spitäler das nicht machen, ist mir unverständlich», sagt Locher.
Noch eine Weile am Tarmed festhalten?
Auch wenn er ein mit Pauschalen für die Ambulatorien der Spitäler kurzfristig begrüsst, propagiert der Berner Gesundheitsökonom eigentlich ein anderes Modell. Denn ein von den stationären Fallpauschalen ausgehendes ambulantes Vergütungsmodell sei «zu undifferenziert». Es brauche deshalb mittel- und langfristig ein Modell, das auf den effektiven Leistungen beruhe.
Diesbezüglich biete der Tardoc eine gute Grundlage, so Locher weiter. Dies jedoch nicht als Tarifstruktur, sondern als Basis für die Erarbeitung einer solchen. Als Tarifstruktur sollte der Tardoc aus Sicht von Locher nur als Zwischenlösung verwendet werden - wenn überhaupt. «Es könnte Sinn machen, noch ein paar Jahre mit dem bestehenden Modell fortzufahren, um Zeit für das Erarbeiten einer zukunftsfähigen Lösung zu finden».
Ist eine Tarifstiftung die Lösung?
Um die Tarifstruktur zu erarbeiten, propagiert Locher die Schaffung einer nationalen Stiftung. In dieser wären neben Anbietern und Versicherern etwa auch die Kantone mit an Bord. Und ausarbeiten würde diese Stiftung nicht nur die ambulante Tarifstruktur, sondern auch jene für den stationären Bereich. Alles andere mache keinen Sinn, sagt Locher. Wenn verschiedene Organisationen die unterschiedlichen Tarife erarbeiteten und aushandelten, stehe dies dem Ziel einer Integrierten Versorgung diametral entgegen, sagt Locher. «Das kann nicht sein.»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

KSA: Weiterer Abgang in der Geschäftsleitung

Sergio Baumann ist nicht länger beim Kantonsspital Aarau tätig: Der Betriebsleiter, der zeitweise als interimistischer CEO fungierte, hat sein Büro bereits geräumt.

image

Jede Notfall-Konsultation kostet 460 Franken

Notfallstationen werden immer öfter besucht. Eine Obsan-Studie bietet neue Zahlen dazu. Zum Beispiel: 777'000 Personen begaben sich dreimal in einem Jahr auf den Spital-Notfall.

image

Zürcher Krankenhäuser und Versicherer haben sich geeinigt

Nun ist ein jahrelanger Streit beendet: Die Zürcher Spitäler vereinbaren mit Helsana, Sanitas und KPT einen Taxpunktwert von 93 Rappen - ein Kompromiss.

image

Balgrist-Team behandelt im Spital Männedorf

Das Spital Männedorf hat eine neue Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Das Team kommt vom Balgrist.

image

Solothurner Spitäler: Bericht zu CEO-Lohn bleibt vorerst geheim

Noch ist unklar, ob Zusatzzahlungen an den Ex-Chef der Solothurner Spitäler rechtens waren. Der Bericht dazu ist da - aber nicht öffentlich.

image

Kispi wegen «Riesenfete» kritisiert – doch die Köche arbeiten gratis

Das überschuldete Kinderspital Zürich feiere seinen Neubau mit einem Michelin-Sternkoch, schreibt ein Online-Medium provokativ.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.