Elektronische Krankengeschichten sind ungenauer als Handschrift

Digitale Patientenakten enthalten signifikant mehr Fehler als handgeschriebene Ärztenotizen im Mäppchen. Dies zeigt eine jetzt veröffentlichte Studie aus den USA. Beim Genauigkeitsgrad nimmt der dokumentierende Mediziner eine zentrale Rolle ein.

, 11. Juli 2016 um 13:45
image
Elektronisch statt auf Papier: Die Vorteile digitaler Krankengeschichten und elektronischen Patientendossiers sind klar. Oftmals stellt aber der Datenschutz ein Knackpunkt dar.
Doch elektronische Patientenakten haben offenbar noch einen weiteren Nachteil: die Qualität der Datendokumentation. 
Digitale Notizen enthalten im Vergleich zu handgekritzeltem Papier im Mäppchen nämlich signifikant mehr Ungenauigkeiten. Dies zeigt jetzt eine Erhebung am Beaumont Hospital in Michigan.

Fehlerquote fünfmal so hoch

Forscher untersuchten vor und nach der elektronischen Einführung über 500 Notizen bei fünf Diagnosen: 

  • Vorhofflimmern, 
  • Aortenstenose, 
  • Intubation, 
  • Amputationen der unteren Extremitäten und 
  • Apoplexie mit Hemiparese. 

Dabei beurteilten die Wissenschaftler rückwirkend die Genauigkeit der ärztlichen Untersuchungsbefunde. Die dabei berechnete Ungenauigkeitsquote bei der papierlosen Form lag bei 24,4 Prozent – bei Patientenakten in handschriftlicher Papierform lediglich bei 4,4 Prozent. 

Die Abwesenheit von Sorgfalt zeigte sich vor allem in der Einführungsphase der elektronischen Patientengeschichten, schreiben die Studienautoren. 

Siddhartha Yadav, Noora Kazanji et al.: «Comparison of accuracy of physical examination findings in initial progress notes between paper charts and a newly implemented electronic health record, in: «Journal of the American Medical Informatics Association», Juni 2016.

Assistenzärzte dokumentieren sorgfältiger

In der im «Journal of the American Medical Informatics Association» publizierten Analyse zeigte sich weiter: Assistenzärzte dokumentieren exakter als erfahrene Ärzte (5,3 Prozent versus 17,3 Prozent). Die Nachwuchsmediziner lassen zudem weniger zentrale Informationen weg (16,8 Prozent versus 33,9 Prozent). 
«Weitere Forschungsanstrengungen sind notwendig, um Trainingsmethoden und Anreize zu identifizieren, solche Ungenauigkeiten in elektronischen Krankengeschichten während der Implementierung zu reduzieren», empfehlen die Studienautoren.
Mehr:

«Doctors make more note-taking mistakes with EHRs than paper records, JAMIA study finds», in: «Healthcare IT News»

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ex-KSW-Chefarzt lanciert interventionell-radiologische Tagesklinik

Christoph Binkert verbündet sich mit dem Medizinisch-Radiologischen Institut MRI in Zürich.

image

Insel-Chirurg mit dem Håkan Ahlman Award ausgezeichnet

Cédric Nesti wurde von der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumoren für eine Publikation über die Gefährlichkeit von Lymphknotenmetastasen.

image
Gastbeitrag von Peter Baumgartner

Ambulante Psychiatrie: Ohne neue Berufsprofile und KI wird’s kaum gehen

Der Fachkräftemangel in der Psychiatrie verlangt einen massiven Umbau der Versorgung. Aber wie? Ein realistisches Zukunftsszenario.

image

Und wie schliessen wir dann das EPD an unser KIS an?

Fast 400 Millionen Franken nimmt der Bund in die Hand, um das Gesundheitswesen zu digitalisieren. Zugleich nimmt er die Software-Anbieter und Spitäler in die Pflicht.

image

Gefragter Aarauer Frauenarzt macht sich selbständig

25 Jahre lang war Dimitri Sarlos an der Frauenklinik des Kantonsspitals Aarau angestellt. Im Oktober eröffnet der Chefarzt eine eigene Praxis.

image

«Wenn Notfall-Praxen schliessen, wird es doppelt so teuer»

Ein Ex-Spitaldirektor warnt: Wenn die Kassen Notfall-Praxen keine Dringlichkeitspauschale mehr vergüten, wird es für alle sehr teuer.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.