«Ehrgeiz und ein gewisser Narzissmus sind an sich noch nichts Schlechtes»

Die Vorstellung, dass im Spital alle lieb und nett zueinander sein sollen und mitreden können, ist schon ziemlich abwegig. Dies sagt Paul Vogt, Klinikdirektor der Zürcher Herzchirurgie.

, 25. Januar 2021 um 08:47
image
  • spital
  • herzchirurgie
Immer wieder wird die zu starke Machtposition von Chefärzten in Spitälern kritisiert. Vor kurzem stand in einem externen Bericht im Auftrag der Zürcher Gesundheitsdirektion etwa zu lesen: Die «starke Machtposition der Chefärztinnen und -ärzte» führe zu «grossen Abhängigkeitsverhältnissen der unterstellten Ärztinnen und Ärzte, da deren Karrieren entscheidend vom Goodwill ihrer Vorgesetzten abhängen.» Und dies könne dazu führen, dass «Fehler oder Missstände nicht adressiert werden, wodurch allenfalls die Patientensicherheit gefährdet wird.»
«Das sagen Leute, die keine Ahnung haben, wie ein Spital funktioniert», sagt Paul Vogt dazu in einem Interview in der NZZ (Abo). Die Vorstellung, dass alle lieb und nett zueinander sein sollten und mitreden könnten, sei schon ziemlich abwegig, so der neue Klinikdirektor der Herzchirurgie am Zürcher Universitätsspital (USZ). Sein Fach, die Herzchirurgie, sei kein demokratisches Fach. «Es gibt automatisch eine Hierarchie, ob man will oder nicht.»

«Immerhin geht es um Leben und Tod»

Der Chirurg führt dies an einem Beispiel näher aus: Wenn der Chef 12 000 Operationen gemacht habe, dann habe er sich einfach mehr Erfahrung erworben als der Assistenzarzt. Natürlich sei es schlecht, wenn jemand diktatorisch sage: «Es wird so gemacht, weil ich der Chef bin.» 
Alle sollten ihm zufolge alle ihre Argumente vorbringen können, wenn es darum geht, wie man einen Patienten am besten behandelt. Aber am Schluss müsse einer entscheiden, und derjenige müsse auch die Verantwortung übernehmen. «Immerhin geht es um Leben und Tod», so Vogt. 

Muss zu ehrgeizige Oberärzte zum Teil bremsen

Im Interview ging es auch um Narzissmus unter Chefärzten. Für Vogt sind Ehrgeiz und ein gewisser Narzissmus an sich noch nichts Schlechtes. «Ohne Mitarbeiter mit diesen Eigenschaften gibt es auch keinen Fortschritt», sagt er der Zeitung. Er habe Oberärzte, die so engagiert seien, dass er sie zum Teil bremsen müsse. «Aber ich bin froh, dass ich solche habe.»
Er räumt aber auch gleichzeitig ein, dass Ehrgeiz an einem gewissen Punkt ins Negative kippe. Und zwar dann, wenn man sich nur darüber definiere, dass man auf dem Papier Chef sei und dies so auslebe – und damit andere quäle. Für ihn ist klar: «Ein Chef sollte mit seiner Persönlichkeit, seinen Argumenten und seinen Fähigkeiten überzeugen und nicht mit dem Gehabe.»

«Es gibt zu viele Spezialisten und zu wenig Patienten»

Im Interview spricht Paul Vogt schliesslich über Konflikte in Spitälern. Auch im Zusammenhang mit dem seit Jahren bestehenden Streit zwischen Chirurgie und Kardiologie am Unispital. «Ein Spital, in dem die verschiedenen Disziplinen nicht harmonisch zusammenarbeiten, kann nicht funktionieren, egal um welche Fächer es dabei geht», sagt er.
Der Grund für solche Konflikte sieht er darin, dass es zu viele Spezialisten und zu wenig Patienten gebe. Das betrifft ihm zufolge wohl am ehesten die invasiv tätigen Fächer. Ein Patient werde nicht behandelt, weil er unbedingt behandelt werden müsse, sondern weil er finanziell lohnend behandelt werden könne. «Das setzt Fehlanreize und führt zu einer ungesunden Konkurrenz um Patienten.» 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Hirslanden: Umbau an der Spitze – näher zu den Regionen

Hirslanden-Zürich-Direktor Marco Gugolz zieht als Regional Operations Executive in die Konzernleitung ein.

image

Was geschieht mit dem Spital Thusis?

Die Stiftung Gesundheit Mittelbünden sucht Wege aus der finanziellen Krise – beraten von PwC. Ein Entscheid soll im Herbst fallen.

image

CSEB: «Herausfordernd, aber zufriedenstellend»

Trotz roten Zahlen und leicht rückläufigen Patientenzahlen gibt sich das Center da sandà Engiadina Bassa optimistisch.

image

Spital STS: Hohe Patientenzahlen bewahren nicht vor Verlust

Sowohl stationär als auch ambulant gab es bei der Spitalgruppe Simmental-Thun-Saanenland 2023 einen Zuwachs.

image

Spital Lachen bricht Neubau-Projekt ab

Nun soll saniert statt neu gebaut werden – aus finanziellen Gründen, aber auch wegen der Flexibilität.

image

Spitalzentrum Biel: Sehr rote Zahlen wegen Sonderabschreiber

Andererseits war 2023 ein Wachstumsjahr für die SZB-Gruppe, es gab einen Rekordwert bei den Patientenzahlen. Und die dynamische Entwicklung setze sich 2024 fort.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.