Immer wieder wird die zu starke Machtposition von Chefärzten in Spitälern kritisiert. Vor kurzem stand
in einem externen Bericht im Auftrag der Zürcher Gesundheitsdirektion etwa zu lesen: Die «starke Machtposition der Chefärztinnen und -ärzte» führe zu «grossen Abhängigkeitsverhältnissen der unterstellten Ärztinnen und Ärzte, da deren Karrieren entscheidend vom Goodwill ihrer Vorgesetzten abhängen.» Und dies könne dazu führen, dass «Fehler oder Missstände nicht adressiert werden, wodurch allenfalls die Patientensicherheit gefährdet wird.»
«Das sagen Leute, die keine Ahnung haben, wie ein Spital funktioniert», sagt Paul Vogt dazu
in einem Interview in der NZZ (Abo). Die Vorstellung, dass alle lieb und nett zueinander sein sollten und mitreden könnten, sei schon ziemlich abwegig, so der neue Klinikdirektor der Herzchirurgie am Zürcher Universitätsspital (USZ). Sein Fach, die Herzchirurgie, sei kein demokratisches Fach. «Es gibt automatisch eine Hierarchie, ob man will oder nicht.»
«Immerhin geht es um Leben und Tod»
Der Chirurg führt dies an einem Beispiel näher aus: Wenn der Chef 12 000 Operationen gemacht habe, dann habe er sich einfach mehr Erfahrung erworben als der Assistenzarzt. Natürlich sei es schlecht, wenn jemand diktatorisch sage: «Es wird so gemacht, weil ich der Chef bin.»
Alle sollten ihm zufolge alle ihre Argumente vorbringen können, wenn es darum geht, wie man einen Patienten am besten behandelt. Aber am Schluss müsse einer entscheiden, und derjenige müsse auch die Verantwortung übernehmen. «Immerhin geht es um Leben und Tod», so Vogt.
Muss zu ehrgeizige Oberärzte zum Teil bremsen
Im Interview ging es auch um Narzissmus unter Chefärzten. Für Vogt sind Ehrgeiz und ein gewisser Narzissmus an sich noch nichts Schlechtes. «Ohne Mitarbeiter mit diesen Eigenschaften gibt es auch keinen Fortschritt», sagt er der Zeitung. Er habe Oberärzte, die so engagiert seien, dass er sie zum Teil bremsen müsse. «Aber ich bin froh, dass ich solche habe.»
Er räumt aber auch gleichzeitig ein, dass Ehrgeiz an einem gewissen Punkt ins Negative kippe. Und zwar dann, wenn man sich nur darüber definiere, dass man auf dem Papier Chef sei und dies so auslebe – und damit andere quäle. Für ihn ist klar: «Ein Chef sollte mit seiner Persönlichkeit, seinen Argumenten und seinen Fähigkeiten überzeugen und nicht mit dem Gehabe.»
«Es gibt zu viele Spezialisten und zu wenig Patienten»
Im Interview spricht Paul Vogt schliesslich über Konflikte in Spitälern. Auch im Zusammenhang mit dem seit Jahren bestehenden Streit zwischen Chirurgie und Kardiologie am Unispital. «Ein Spital, in dem die verschiedenen Disziplinen nicht harmonisch zusammenarbeiten, kann nicht funktionieren, egal um welche Fächer es dabei geht», sagt er.
Der Grund für solche Konflikte sieht er darin, dass es zu viele Spezialisten und zu wenig Patienten gebe. Das betrifft ihm zufolge wohl am ehesten die invasiv tätigen Fächer. Ein Patient werde nicht behandelt, weil er unbedingt behandelt werden müsse, sondern weil er finanziell lohnend behandelt werden könne. «Das setzt Fehlanreize und führt zu einer ungesunden Konkurrenz um Patienten.»