Am Samstag letzter Woche gelangte ein Patient mit Vorhofflimmern ins
Landeskrankenhaus Kirchdorf in Oberösterreich (jährlich 12'000 Patienten stationär). In der Intensivstation verordnete der Arzt neben anderen Medikamenten eine Kalium/Magnesium-Infusion, die stabilisierend wirken sollte.
Rückblickend ergab sich aber, dass der Pfleger dem 61-Jährigen wohl eine Calciumchlorid-Magnesiumchlorid-Infusion steckte.
Der Patient klagte bald darauf über Brennen im Mund, Gesicht und in beiden Händen; auch wies er eine erhöhte Herzfrequenz auf. Die Ärzte vermuteten zuerst eine allergische Reaktion auf eines der verabreichten Medikamente (Sedacoron) und setzten es ab – die Infusion wurde indessen beibehalten.
Erste Vermutung: Allergische Reaktion
Später zeigten sich erhöhte Kalziumwerte; in einem weiteren Schritt äusserte der Abteilungsleiter den Verdacht auf eine Hyperkalzämie und ordnete erste Massnahmen an (Einleitung einer forcierten Harnausscheidung). Tatsächlich zeitigte dies vorerst Erfolge. In der Nacht wurde aber beim Patienten ein beginnendes akutes Nierenversagen festgestellt, begleitet von akuter Atemnot.
Am folgenden Nachmittag beschlossen die Ärzte, den Mann mit dem Helikopter in eine Spezialabteilung des Universitätsspitals Wien zu verlegen. Dort verstarb der Patient am vergangenen Dienstag nach einem Multiorganversagen.
Falsch eingeordnet
Was war geschehen? Nach jetzigem Stand hatte ein (anderer) Pfleger in der Lade für Kalium-Infusionen die Kalzium-Infusionen einsortiert. Dies geschah bereits knapp zwei Wochen vor dem fatalen Missgeschick.
Der betreuende Pfleger nahm dann die Infusion und verabreichte sie dem Patienten ohne weitere Überprüfung.
Drei Verdachtsfälle – fünf Verdächtige in der Pflege
Inzwischen hat die zuständige Staatsanwaltschaft Steyr den Fall übernommen. Denn womöglich könnten drei weitere Personen falsche Infusionen erhalten haben, seit die Charge am 22. September einsortiert worden war.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen insgesamt fünf Pfleger: Sie alle könnten falsche Infusionen gesteckt haben. In zwei verdächtigen Fällen erlitten die Patienten offenbar keine Folgeschäden. Doch es besteht der Verdacht, dass einer 81jährigen Palliativpatientin ebenfalls eine falsche Infusion verabreicht wurde; die Frau verstarb Ende September. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, eine Exhumierung zu verfügen.
Wem eine Klage droht – und wem nicht
Bemerkenswert ist dabei, dass jenem Pfleger, welcher die Medikamente falsch einordnete, kein Strafverfahren droht: Dies sagte Andreas Pechatschek von der zuständigen Staatsanwaltschaft
Steyr dem «Kurier». Eine Klage müssen jedoch jene Mitarbeiter befürchten, welche die Infusionen verabreichten, ohne diese sorgfältig zu kontrollieren. Der Verdacht lautet auf grobfahrlässige Tötung.
Als Sofortmassnahme stellten alle Standorte der Spital-AG des Bundeslandes Oberösterreich bei Calciumchlorid-Magnesiumchlorid um: Jetzt werden kleinere Gebindegrössen benutzt; die Spitäler setzen ausschliesslich 50-ml-Flaschen ein, womit sich diese durch das Format klar von anderen Medikamenten abheben. Ausserdem wurden alle Angestellten in den Krankenhäusern über die Verwechslung informiert und nochmals aufgefordert, jedes Medikament intensiv zu prüfen, bevor es verabreicht wird.