High-Tech trifft Gesundheitsprofis: Das ist in der Theorie selbstverständlich und selbstverständlich wichtig. Aber in Wirklichkeit leben die beiden Welten oft nebeneinander her – so dass viele Tech-Produkte entstehen, welche die Fachleute in den Spitälern oder Praxen wenig bringen.
Um hier etwas mehr Klarheit zu schaffen, starteten nun einige junge Tech-Forscher im Silicon Valley (oder genauer: am Rande des Valley) ein überzeugendes kleines Projekt: Vertreter des Center for Digital Health Innovation der Universität San Francisco sassen mit Ausbildnerinnen und Pflege-Expertinnen des Universitätsspitals San Francisco zusammen – und stellten ihnen eine einfache Kernfrage: Was braucht ihr? Was sollen die schlauen Köpfe im Silicon Valley für Euch entwickeln?
Jetzt wurde die Liste veröffentlicht – mit der Aufforderung an die Startups, Entwickler und Computer-Profis: «Please reach out to us if you’re working on any of these issues!»
- UCSF CDHI: «UCSF Nurses Want Someone To Build These Products», in: «Medium», Juli 2016
Das geben wir gern auf Deutsch weiter – die Liste der digitalen Helfer, welche Medizin und Pflege wirklich erleichtern würde.
1. Technologie zur Navigation der Patienten und ihrer Angehörigen
Bei grossen Gesundheitsversorgern ist es eine Daueraufgabe, Patienten und viele Angehörige durch verschiedenste Stationen und Orte einer Klinik zu führen. Die Pflege-Profis wünschen sich Lösungen, welche nicht nur die Wege und Abläufe zeigen beziehungsweise lenken, sondern die Patienten oder Gäste dabei auch auf dem neusten Stand über die medizinische Lage halten. Denkbar sei eine App-Lösung, welche durch die wichtigsten Schritte führt – wobei entscheidend wird, dass sie mit den Spital- beziehungsweise Praxis-Planungsprogrammen abgestimmt werden kann.
2. Virtuelles «Überwachungspersonal»
Viel Manpower wird in der Pflege beansprucht für die gezielte Überwachung einzelner Patienten – etwa sturzgefährdeter Menschen, von Personen, die sich selber gefährden oder von dementen Patienten. Wenn nur ein Teil dieser Überwachungs- und Beobachtungs-Aufgaben durch Roboter übernommen werden könnte, liessen sich gewaltige Einsparungen erzielen.
3. Künstliche Intelligenz für das Gesamtsystem
Es gibt bereits allerhand Angebote, die mittels Algorithmen die Voraussagen und die Betreuuung von Patienten präzisieren. Etwa Geräte, welche die in der Intensivstation die Vitaldaten überwachen, daraus Schlüsse ziehen, Prognosen wagen und Alarme auslösen.
Die in San Francisco befragten Pflegeprofis wünschten sich aber noch eine stärkere Verbindung mit der gesamten Spitalumgebung. Das heisst: Ein System, bei dem sich das ganze Umfeld (etwa mit dem Licht oder in der Bewegung der Betten) den spezifischen Bedürfnissen eines einzelnen Patienten anpasst.
4. Direkte Drähte zwischen Medizinalgeräten und Patientendossier
Das Problem, dass Pflegepersonal wie Ärzte zuviel Zeit mit administrativen Aufgaben verbringen, stand auch bei der kalifornischen Befragung ganz vorne. Zu oft müssen Einträge von einem Dokument auf ein anderes übertragen werden. Hier wäre eine weitere Verfeinerung eine grosse Entlastung.
Ein Beispiel: Enorme Einsparungen liessen sich alleine erzielen, wenn bessere Automatisierungen möglich würden zwischen den Einstellungen der Infusionspumpen und den Einträgen dazu ins Patientendossier. Kurz: Richtig effizient würde ein EPD aus Sicht der Pflege erst, wenn dort auch die Informationen der Medtech-Geräte direkt einfliessen könnten.
5. Telemedizin-Gemeinschaften
Telemedizin, das bedeutet bislang eins zu eins. Auf der einen Seite ein Patient, auf der anderen ein Arzt (oder Apotheker oder Pflegeprofi). Nach den Erfahrungen der Expertinnen aus San Francisco gäbe es einen grossen Bedarf an virtuellen Gruppen von Patienten, die etwa zur gleichen Zeit oder/und ähnlichen Befunden aus einer Klinik entlassen wurden.
6. Tools, die den Durchblick bei den Kosten schaffen
Hier ist die Lage in der Schweiz zwar grundsätzlich anders, da mehr über die Kassen läuft – dennoch: Das Problem, dass die Patienten die Arztrechnungen nicht verstehen, gehört auch hier zum Alltag. Der Vorschlag der befragten Gesundheitsprofis aus San Francisco sieht vor, dass das ideale Tool «on an ongoing basis» – also Schritt für Schritt sowie im Voraus – präsentiert, welche Kosten aufgelaufen sind beziehungsweise die als nächstes anstehen. Und zwar verständlich.
7. Schmerz-Management-Dashboard
Es gibt durchaus brauchbare Tools und digitale Helfer für den Umgang mit chronischen Schmerzen. Aber eine ausgefeilte Tafel, welche zweidimensional die Entwicklung und die Massnahmen festhält, und vor allem: die zugleich ins Patientendossier integriert wäre – dies würde bei Überwachung, Monitoring und Therapie viel bringen, so die Befragten.
Immer noch sei das Schmerzmanagement (und die Beobachtung der Schmerzen) ein fragmentierter Prozess, wo Patienten, Apotheker, Pflegefachleute und andere ihre Inputs unabhängig und oft unkoordiniert leisten.
8. Mehr Roboter!
Als Ruf nach mehr Robotern liesse sich eine weitere Gruppe von Wünschen zusammenfassen. Vor allem in zwei Bereichen wünschen die Pflegefachleute eine Verstärkung durch Geräte: beim ständigen Umlagern und Bewegen von Patienten (wobei auch Lösungen gewünscht würden, die dazu beitragen könnten, dass man die Patienten weniger häufig durch die Gänge rollen oder bewegen muss).
Und zweitens: Beim Handling des Abfalls. Denn dessen Entsorgung ist in den Kliniken immer noch weitgehend eine manuelle Tätigkeit.
9. Spezielle Apps für das Stationszimmer
Hier läuft eine Hauptschwemme der administrativen Aufgaben zusammen. Neben dem Bedürfnis nach einer allgemeinen Automatisierung des Papierkriegs (siehe oben, 4) wünschen die Befragten noch spezifische Angebote für die Stations-Pflegerinnen.
Denn diese werden mit unglaublich vielen Detail-Anforderungen konfrontiert und müssen oft mit Dutzenden Papieren jonglieren. Jedes Programm, dass hier Ordnung schafft – etwa indem es bei der Reihenfolge oder der Archivierung hilft – sei herzlich willkommen.
10. Programme zur Überwachung von klinischen Studien
Ob dieser Wunsch auch an einem Schweizer Uni-Spital gekommen wäre? Für die Pflegeteams nützlich wäre eine (ins EPD) eingebaute Information, ob ein Patient Teilnehmer einer klinischen Studie ist – und falls ja, was dies für die medizinische Betreuung im Spital bedeutet beziehungsweise worauf das Personal deswegen achten muss.