Diese 10 Fortschritte werden das Gesundheitswesen in den nächsten Monaten verändern

Ein Expertenpanel suchte die Trends, die bis Ende 2018 die Gesundheit von Millionen Menschen betreffen – und damit die ganze Health-Branche. Hier die Auswahl.

, 30. Oktober 2017 um 06:00
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Es ist eine gute Methode, um zu wittern, welche Entwicklungen uns demnächst beschäftigen werden: Man fragt Chefärzte und Spitzenforscher, welche medizinischen Fortschritte und Techniken in den nächsten Monaten grosse Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und auf die Gesundheitsbranche haben werden – «a huge impact».
Genau diese Frage stellte die Cleveland Clinic, also Amerikas zweitgrösste Klinikkette, an 150 Spitzenmediziner und –forscher. Es ging dabei nicht um Science Fiction, sondern um einen begrenzten, überschaubaren Zeithorizont: Die Experten sollten die «Top Ten Medical Innovations for 2018» nennen. Hier die herausragenden Antworten.

1. Künstliche Bauchspeicheldrüsen

Die Insulinpumpen mit Hybrid Closed Loop System schaffen es, die Glukose-Überwachung und die Insulinzufuhr direkt miteinander zu verkoppeln, womit das Management der Blutzuckerwerte ein viel besseres Niveau erreicht. Die Experten erwarten nun, dass die ersten Produkte für Diabetes Typ 1 – seit Ende 2016 im US-Markt – die Ausbreitung weiterer «künstlicher Bauchspeicheldrüsen» beschleunigt. Und zwar insbesondere von neuen Geräten für Patienten mit Diabetes Typ 1. ++ Mehr darüber  ++ 

  • Aktuell: «Das Inselspital testet die künstliche Bauchspeicheldrüse: Ein neues Leben für Diabetiker», in: «SonntagsBlick», 29. Oktober 2017.

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Bild: Medtronic

2. Neurostimulation gegen obstruktive Schlafapnoe

Neue implantierte Geräte behandeln obstruktive Schlafapnoe, indem sie die Zunge beim Schlaf leicht stimulieren – was hilft, dass es deutlich weniger oder gar keine Atemaussetzer mehr gibt. Sie werden eine Alternative zur Therapie durch kontinuierliche Überdruckbeatmung, welche sehr viele Patiente ablehnen. 
Angesichts der Tatsache, dass die Schlafapnoe einerseits weit verbreitet ist – in der Schweiz schätzt man die Zahl der Betroffenen auf gegen 150'000 – und dass damit Folgeschäden wie hoher Blutdruck, Schlaganfälle und Herzprobleme zusammenhängen, seien diese neuen Produkte und ihre guten klinischen Resultate ein ernsthafter Fortschritt der nächsten Zeit, schätzen die Cleveland-Experten. ++ Mehr darüber ++

3. Gentherapie bei erblichen Netzhauterkrankungen

Bis zum Frühjahr 2018 dürfte die US-Aufsichtsbehörde FDA eine neue Gentherapie für erbliche Netzhauterkrankungen bewilligen. Die Therapie richtet sich gegen eine von 250 bekannten genetischen Sehstörungen, die sehr selten sind und wogegen es auch keine Therapiemöglichkeit gibt. 
Konkret führt bei den Betroffenen eine Mutation im Gen RPE65 zu einer Zerstörung der Sinneszellen in der Netzhaut. Die nun erhoffte Gentherapie wurde bislang an gut 130 Patienten erprobt. Dabei werden intakte Versionen des RPE65-Gens in Virenhüllen verpackt und unter die Netzhaut injiziert. ++ Mehr darüber ++

 

4. Die Cholesterindebatte setzt sich fort

Neue Medikamentenkombis helfen, die LDL-Cholesterin-Werte um bis zu 75 Prozent zu senken. Damit – so erwarten die Profis im Panel – steht bald ein neues Thema im Raum: Wie tief ist zu tief? 
Zitiert werden dabei neue Studien, wonach eine Kombination von Statinen mit neuen Medikamenten (PCSK9-Inhibitoren) äusserst tiefe LDL-Levels schafft – und das Risiko eines tödlichen kardiovaskulären Vorfalles um 20 Prozent senken könnten. So oder so: Entscheidend sei, dass den Ärzten neue Waffen im Ringen ums Cholesterin zur Verfügung stehen.  ++ Mehr darüber ++  

5. Betreuung aus der Distanz

Kein ganz neues Thema – aber für das Expertenpanel bleibt dies einer der prägenden Trends auch im nächsten Jahr. Der Abbau geographischer Distanzen bei der Betreuung und Überwachung von Patienten biete auf diversen Ebenen nur Chancen: Zeit, Effizienz, Qualtät, Kosten.
Deshalb sei zu erwarten, dass sich insbesondere Spitäler in den nächsten Monaten noch weit stärker für solche Technologien öffnen. Dabei geht es nicht nur um Video- und andere Telemedizin-Konsultationen: Ein entscheidender Faktor auf der anderen Seite ist, dass auch die Patienten immer häufiger Geräte haben, welche medizinische Informationen und Werte messen, aufnehmen und speichern können.

 

6. Impf-Plattformen der nächsten Generation

In den nächsten Monaten sollte es möglich sein, die gesamte weltweite Infrastruktur zur raschen Entwicklung neuer Impfstoffe zu verbessern – und um zugleich diese Impfstoffe rasch und grossflächig zu verbreiten. Als Teil solch einer Gesamtentwicklung erwähnt die Cleveland-Studie eine Perfektionierung des Einsatzes gefriergetrockneter Impfstoffe, mit denen entfernteste Gegenden erreicht werden können. Auch sei die Pharmabranche zunehmend rascher in der Lage, Impfstoffe zu entwickeln, und es gibt immer passendere Formen der Verabreichung. Konkretes Beispiel: Im nächsten Jahr sollte eine Grippeimpfung auf den Markt kommen, die per Pflaster verabreicht wird.

 

7. Ein breiteres Arsenal an zielgerichteten Brustkrebstherapien

«2018 wird zum Jahr, in dem gezielte Therapien in der Behandlung von Brustkrebs zum Standard werden», schreiben die Mediziner und Forscher der Studie. Momentan zeige sich, dass gleich mehrere gezielte Therapien in klinischen Tests gute Resultate versprechen: PARP-Inhibitoren, CD-K- 4/6-Inhibitoren, Antikörper gegen HER-2-Rezeptoren. 
Man dürfe hoffen, dass sich die Überlebensraten bei Brustkrebs stetig verbessern – und dass für eine signifikante Gruppe der Betroffenen bald keine Chemotherapien mehr nötig sein werden.  ++ Mehr darüber ++ 

8. Neue Strategien nach der Operation

Keine Nahrung vor der Operation; Einsatz von Schmerzmitteln danach; Bettruhe während der Erholung: Invasive Eingriffe folgten jahrzehntelang derselben Routine. Innovative Kliniken stellen diese Routine jetzt infrage. Zum Beispiel prüfen sie, ob sich die Patienten nicht oft ganz normal ernähren sollen; oder wie sich der Einsatz von Schmerzmitteln senken liesse, zu ersetzen durch andere Medikamente.
Oder sie testen, ob es nicht von Vorteil wäre, wenn sich die Patienten möglichst rasch wieder erheben und zu gehen beginnen: Immerhin besagen Logik und Erfahrung, dass das Risiko von Blutgerinnseln, Übelkeit, Infektionen und Muskelschwund dann geringer wäre – und dass sich die Spital-Aufenthaltszeiten wohl senken liessen.

9. Zentrale Überwachung von Spitalpatienten

«Alarm fatigue» heisst der englische Fachausdruck – es geht um die Nachlässigkeit, die sich einstellt, wenn die Überwachungsgeräte auf der Station regelmässig irgendwelche Abweichungen melden (die dann oft in der Tat vernachlässigbar sind…). 
Deshalb geht der Trend hin zu konzentrierteren Überwachungszentralen, wo das Personal explizit und spezifisch zur Kontrolle der Signale da ist – nicht betraut mit anderen Pflegeaufgaben.
Dazu gehört auch, dass hier mehr und komplexere Daten gesammelt und gefiltert werden. Erste Erfahrungen mit solchen «Mission Control»-Zentralen zeigen, dass hier eben nicht nur konzentrierter überwacht wird, sondern dass hier die Menge der unbedeutenden und überflüssigen Signale mit der Zeit – dank Lerneffekten – gesenkt werden kann. ++ Mehr darüber ++ 
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Die im Herbst 2016 eröffnete neue Steuerungszentrale der Johns Hopkins Clinic in Baltimore | Bild: Johns Hopkins Medicine


10. Mit Kopfhaut-Kühlung gegen den Haarausfall bei Chemotherapien

Die Idee wurde in Schweden entwickelt – es ist eine Art Kappe, welche die Kopfhaut kühlt; dadurch wirkt sie gegen den Haarausfall, den Krebspatienten bei der Chemotherapie oft erleiden.
Die FDA in Amerika bewilligte unlängst den Einsatz bei allen soliden Tumorerkrankungen, da die Wirksamkeit erwiesen sei. In der Schweiz wird die Technologie von einigen Onkologiekliniken auch schon angewandt – bei gewissen Patienten mit bösartigen soliden Tumoren.
Die Grundidee: Trägt man vor, während und nach der Chemo eine Kühlhaube, so verengen sich die Blutgefässe direkt darunter. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Chemotherapeutika an dieser Stelle schlechter vordringen. Kommt hinzu, dass sich biochemischen Prozesse an den gekühlten Stellen verlangsamen, was ebenfalls dazu beiträgt, dass die zerstörerische Wirkung der Arznei an dieser Stelle weniger stark ausfällt.
Wie gesagt: Ganz neu ist das System nicht – aber die Experten der Cleveland Clinic erwarten, dass es sich bis Ende nächsten Jahres beschleunigt ausbreiten wird.


Beitrag des US-TV-Networks «ABC» über die Cleveland-Clinic-Liste:
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