Nachgemessen: So rasch reagiert das Pflegepersonal auf Alarmsignale

Je länger eine Schicht dauert, desto langsamer wird auf die Monitor-Signale reagiert. Aber nicht wegen der Müdigkeit.

, 3. Mai 2017 um 13:50
image
  • pflege
  • forschung
Wer weniger Berufserfahrung hat, reagiert rascher auf ein Alarmsignal. Wer weniger Patienten betreut, greift ebenfalls schneller ein. Und wenn die Überwachungsgeräte zuvor bereits angeschlagen hatten, dann führt dies auch zu einer schnelleren Reaktion des Pflegepersonals.
Zu solchen Ergebnissen kommt jetzt eine Video-Überwachungsstudie: Dabei mass ein Team von Pädiatern auf zwei Abteilungen des Children’s Hospital of Philadelphia, wie die Nurses auf physiologische Alarmsignale reagierten.


Nun sind erwähnten Ergebnisse ja nicht unbedingt überraschend. Doch insgesamt brachten die über 551 Stunden dauernden Beobachtungen auch Brisantes ans Licht. Ein Ergebnis besagte etwa: Je länger die Schicht gedauert hatte, desto langsamer reagierte das Pflegepersonal auf Alarmsignale. 
Konkret: Pro absolvierte Stunde einer Schicht fiel die response time um 15 Prozent länger aus. So reagierten die Aufsichtsperson in der zweiten Stunde im Schnitt nach gut 6 Minuten – in der achten Arbeitsstunde lag die Eingriffs-Zeit schon bei 14 Minuten.

Das Fehlalarm-Problem

Und dies scheint nicht einfach mit Ermüdung zu tun haben. Das Forscherteam um den Kinderarzt Christopher P. Bonafide erwähnte auch frühere Studien, wonach hier eher die Falsch-Signale das Problem darstellten: Sie führten zu Nachlässigkeit. Denn wer schon auf eine Reihe von Fehlalarmen reagiert hatte, liess sich beim x-ten Mal weniger hetzen.
«In der Folge entwickeln die Pflegenden wahrscheinlich die Erwartung, dass die meisten physiologischen Alarmsignale nicht wichtig sind», schreiben Bonafide et al., «und sie geben, wenn es viel zu tun gibt, anderen Routineaufgaben die Priorität – es sei denn, es gibt spezifische Bedingungen des Patienten oder des Alarms.»

  • So reagierten die beobachteten Pflegeprofis – logischerweise – am schnellsten, wenn die Geräte eine letale Arrhythmie anzeigte: Hier lag der Durchschnittswert bei 1,2 Minuten.
  • Bei Patienten auf der Abteilung für komplexe Fälle war die durchschnittliche Eingreif-Zeit bei 5,3 Minuten, in der allgemeinen Pädiatrie lag der Wert bei 11 Minuten.
  • Hatte es bei einem Patienten zuvor schon einen ernsthaften Alarm gegeben, so lag der Durchschnittswert bei 5,5 Minuten. War es der erste Alarm, bei dem eingegriffen werden musste, so betrug die Reaktionszeit gut 10 Minuten.
  • Angehörige wurden eher als Überwachungs-Hilfen denn als Ansporn empfunden: Waren Familienmitglieder am Patientenbett, so reagierte das Pflegepersonal im Schnitt nach 12 Minuten. Wenn keine Angehörigen da waren, lag die Reaktionszeit bei 6,7 Minuten – beinahe halb so lang.
  • Die Bedeutung der Erfahrung (oder der Dickfelligkeit?) zeigte sich im anfänglich erwähnten Vergleich: Nurses mit weniger als einem Jahr Berufserfahrung reagierten im Schnitt nach 4,4 Minuten auf ein Alarmsignal; beim Pflegepersonal mit längerer Erfahrung lag der Wert genau doppelt so hoch – er betrug 8,8 Minuten.

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Insel-Chirurg mit dem Håkan Ahlman Award ausgezeichnet

Cédric Nesti wurde von der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumoren für eine Publikation über die Gefährlichkeit von Lymphknotenmetastasen.

image

Studie: Wo das Pflegepersonal unzufrieden ist, sterben mehr Patienten

Erstmals wurden Zusammenhänge zwischen den Kündigungsabsichten in der Pflege und der Mortalität im Spital erforscht.

image

Pflegefachfrau als «Jungunternehmerin des Jahres» gewürdigt

Alessia Schrepfer wurde für die Gründung von WeNurse mit dem Women Award des Swiss Economic Forum ausgezeichnet.

image

4-Tage-Woche in der Pflege: Ernüchterndes Ergebnis

Ein deutsches Spital führte neue Arbeitszeit-Angebote ein. Nach der Anfangseuphorie kam der Alltag.

image

Temporärarbeit in der Pflege verdient Neubeurteilung

Das Pflegepersonal ächzt unter dem Fachkräftemangel. Personaldienstleister helfen, dringend benötigtes Personal für Gesundheitseinrichtungen zu finden und tragen doppelt zur Problemlösung bei: Es gelingt Lücken zu schliessen und flexibilitätssuchende Fachkräfte gehen der Branche nicht ganz verloren.

image

SBK und KSGL-Spitze suchen neue Vertrauensbasis

Der Pflegeverband setzte die Sozialpartner-Gespräche aus, weil das Kantonsspital trotz Entlassungen Neueinstellungen durchführte. KSGL-CEO Stephanie Hackethal zeigt sich «irritiert» und weist die Vorwürfe zurück.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.