Die Ärzte sind ziemlich ausgebrannt – aber trotzdem sehr zufrieden

Eine Riesenumfrage unter den ambulant tätigen Ärzten in Deutschland zeigt ein Bild, das an die guten alten Zeiten erinnert: Sie arbeiten sehr viel – aber spüren auch hohe Anerkennung.

, 18. November 2016 um 15:57
image
  • praxis
  • ärzte
Natürlich, die Lage der Praxisärzte in Deutschland ist nicht gleich wie in der Schweiz. Doch gewisse Standards des Berufs gelten dies- wie jenseits des Rheins, und auch bestimmte Probleme gibt es hier wie dort. Zum Beispiel, dass es schwierig ist, einen Nachfolger für die eigene Praxis zu finden. In Deutschland gaben jetzt 70 Prozent der betroffenen – suchenden – Ärzte an, dass die Sache schwierig ist.
Kommt Ihnen das bekannt vor?
Wenn also in einer Grosserhebung in Deutschland über 10'000 niedergelassene Mediziner interviewt werden, so dürfte manches auch für die hiesigen Kollegen gelten. Gemeint ist der «Ärztemonitor», eine Riesen-Studie zur Arbeitswelt der Mediziner. Sie wurde jetzt wieder veröffentlicht.
Und die erste gute Nachricht lautet: Die Ärzte sind immer noch sehr zufrieden mit ihrer Arbeitssituation.
  • «Ärztemonitor 2016»: Zu den Daten
Fast alle befragten Mediziner sagten, dass die Arbeit «Spass macht», dass sie «zufrieden sind» und dass sie den Beruf wieder ergreifen würden. Auch die hohe Anerkennung wird geschätzt. Etwas knapper ist dann die Mehrheit, welche findet, dass die heutige Lage mit den Wünschen zu Studienbeginn übereinstimmt: Hier erreichte die Quote noch 61 Prozent – aber immerhin.
image
Fast alles im grünen Bereich: Die Aussagen zur Aspekten der Zufriedenheit | Quelle/Grafik: «Ärztemonitor» 2016
So paradox es tönen mag: Sehr hoch war auf der anderen Seite die Zahl der Hausärzte, die sagten, dass sie sich durch die Arbeit ausgebrannt fühlen. Satte 70 Prozent stimmten diesem Befund «eher» oder deutlich zu.
Zugleich ging die Arbeitszeit seit der letzten Erhebung etwas zurück. Wie der neue «Ärztemonitor» herausfand, arbeiten deutsche Hausärzte heute im Schnitt 53 Stunden; bei den Fachärzten sind es 51 Stunden.
Zusammengefasst wird also spürbar, dass die selbstständigen Ärzte immer noch stark in der Arbeitsmühle stecken – aber dies immerhin bei einer befriedigenden Tätigkeit.
image
Verteilung der Wochenarbeits-Stunden bei ambulant tätigen Ärzten in Deutschland | Grafik: «Ärztemonitor»
Zufrieden sind sie dabei auch mit dem Lohn: 70 Prozent der Hausärzte und 64 Prozent der Fachärzte waren zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit ihrem Einkommen – die Spezialisten, obschon in der Regel besser bezahlt, erscheinen also kritischer.

Ganz klar: Telemedizin kommt

Mit Blick auf die Zukunft sind sich die Haus- und Spezialärzte in ihren Praxen sehr bewusst, dass der Telemedizin-Wandel kommen wird: 87 Prozent sagten aus, dass sie solche Angebote derzeit nicht haben in ihrer Praxis. Aber 64 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass sie innerhalb der nächsten fünf Jahren Telemedizin in ihrem Praxisalltag haben werden. Dies in einem Land, das bekanntlich den digitalen Formen des Arzt-Patienten-Beziehung noch etwas skeptischer gegenübersteht als die Schweiz.
Der Ärztemonitor ist eine Umfrage, die vom Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchow-Bund) und der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in Auftrag gegeben wird – dieses Jahr zum dritten Mal nach 2012 und 2014. Das Institut für angewandte Sozialwissenschaft Infas befragte dafür 11’000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Arzt wies Patienten ab – wegen seiner Parteizugehörigkeit

Dieser Fall versetzte Deutschland in Aufruhr: Ein Hausarzt wollte einen Patienten nicht mehr – weil er bei der AfD-Partei ist.

image

Migros: 1,3 Milliarden Umsatz im Gesundheitswesen

Der Detailhandels-Konzern baut sein Healthcare-Netzwerk auch nach dem Abgang von Fabrice Zumbrunnen aus.

image

Ex-KSW-Chefarzt lanciert interventionell-radiologische Tagesklinik

Christoph Binkert verbündet sich mit dem Medizinisch-Radiologischen Institut MRI in Zürich.

image

In der Schweiz sind 1100 Ärzte mehr tätig

Die Arztzahlen in der Schweiz haben ein neues Rekord-Niveau erreicht: Es gibt nun 41'100 Berufstätige.

image

Der Erfinder des Ledermann-Implantats ist tot

Er war ein bekannter Implantologe, später auch Hotelier und Schriftsteller. Nun ist Philippe Daniel Ledermann 80-jährig gestorben.

image
Gastbeitrag von Peter Baumgartner

Ambulante Psychiatrie: Ohne neue Berufsprofile und KI wird’s kaum gehen

Der Fachkräftemangel in der Psychiatrie verlangt einen massiven Umbau der Versorgung. Aber wie? Ein realistisches Zukunftsszenario.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.