«Wir konnten längere Zeit rein gar nichts mehr schmecken oder riechen», sagt Tom. Er und seine Partnerin Elisa* erkrankten letzten Herbst an Covid-19. «Die Symptome waren gering», erinnern sie sich. Hätten sie sich nicht testen lassen, wäre die Krankheit als «normale» Grippe durchgegangen. Normal war nach der Genesung jedoch nicht alles. Ihre Geschmacksnerven hatten sich komplett verabschiedet; auch riechen konnten die beiden nichts mehr – nicht einmal zehn Räucherstäbchen auf einmal.
«Das Schlimme daran war, dass es nicht aufhören wollte», sagt Tom. Für die beiden Gourmets «der reinste Horror, wir hatten Angst, nie wieder in den Genuss eines guten Essens zu kommen.» Und während der Horror bei Tom nach vier Wochen endlich ein Ende hatte, litt Elisa fast fünf Monate lang weiter. Der Einschnitt in die gewohnte Lebensqualität sorgte bei ihr für Depressionen, worauf sie sich psychologische Hilfe suchte.
Tom und Elisa sind kein Einzelfall. Wie die Kohortenstudie (Beobachtungsstudie) von Corona-positiv Getesteten des Instituts für Epidemiologie, Bioistatik und Prävention (EBPI) der Universität Zürich zeigt (mitfinanziert von der Gesundheitsdirektion), klagen rund ein Viertel der Befragten über Langzeitfolgen.
Long-Covid-Betroffene: Weitere Symptome
Die Details der Kohortenstudie: Insgesamt 26 Prozent der Covid-Erkrankten erholten sich sechs Monate nach der Infektion noch nicht ganz. Als häufigste Beschwerden nannten sie starke Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Husten und Symptome einer mindestens leichten Depression oder Angststörung. Mindestens jeder zehnte dieser Long-Covid-Betroffenen befindet sich immer noch in einem schlechten Gesundheitszustand und ist im Alltag sehr eingeschränkt.
«Bei einem schweren Verlauf ist das Risiko, unter Langzeitbeschwerden zu leiden, höher – aber es gibt sie auch nach leichtem Verlauf», erklärt Milo Puhan, Direktor des EBPI. Für die Versorgungplanung sei es wichtig, die Entwicklung und Anzahl der Long Covid-Betroffenen zu kennen, fügt Kantonsärztin Christiane Meier an.
Langzeitstudie von Corona-Positiven
Nebst den langfristigen klinischen Folgen untersuchte das Team um Professor Puhan mittels Fragebogen sowie durch Blutentnahme ebenso die Immunantwort (Antikörper nach der Coronavirus-Infektion) bei rund 1500 positiv getesteten Personen im Kanton Zürich. Dabei wurden die Studienteilnehmenden zufällig aus dem ganzen Kanton ausgewählt und waren von asymptomatisch bis sehr schwer erkrankt.
Die erste Gruppe umfasste Personen, welche sich im Frühling infizierte (450 Personen), die zweite Gruppe solche, welche ab August 2020 positiv getestet worden sind (1050 Personen). Zusätzlich wurden für die Studie auch 400 Kontaktpersonen der zweiten Gruppe untersucht und unter anderem zum Erleben der Quarantäne befragt, heisst es in der Medienmitteilung.
Immunantwort mehrheitlich robust
Bei 96 Prozent der Teilnehmenden der ersten Gruppe konnten rund sechs Monate nach ihrer Covid-19-Erkrankung noch Antikörper nachgewiesen werden. Ihr Blut lieferte also eine robuste und anhaltende Immunantwort. Erwähnt wird weiter, dass diese Probanden im Schnitt eher stärkere Symptome hatten – zu diesem Zeitpunkt sei auch eingeschränkter getestet worden.
Eine detaillierte Analyse bei Personen der zweiten Gruppe ergab, dass jene mit einer schwereren Erkrankung, Männer sowie Nichtraucher mit höherer Wahrscheinlichkeit nachweisbare Antikörper und mehr Antikörper im Blut hatten. Bei 15 Prozent der Probanden, vor allem bei jenen mit mildem Verlauf, konnten keine Antikörper nachgewiesen werden.
Die gute Nachricht: Diese Personen können durchaus eine Immunität aufweisen, die nicht nur alleine anhand der Antikörper festgestellt werden kann. Es gebe auch Abwehrzellen (zum Beispiel T-Zellen), die als Antwort auf eine Infektion zum späteren Schutz vor dem Virus beitragen können. «Dem werden die Forscher der Zürcher Coronavirus-Kohorte nachgehen, ebenso wie der Immunantwort von geimpften Personen», steht es im Communiqué.
*die Namen wurden von der Redaktion geändert
Sieben Studien
Das Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (EBPI) der Universität Zürich ist mit sieben Studien zu Ausbreitung und Auswirkung des Coronavirus in der Zürcher Bevölkerung massgeblich am nationalen Forschungsprogramm Corona Immunitas beteiligt. Dieses wird von der Stiftung Swiss School of Public Health (SSPH+) initiiert und koordiniert. Professor Milo Puhan, Direktor des EBPI, zum grundsätzlichen Ziel von Corona Immunitas: «Wir wollen verlässliche epidemiologische Daten liefern, die der Entscheidungsgrundlage für verhältnismässige und wirkungsvolle Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung dienen.»
Weitere Informationen zu den Studien und zum wissenschaftlichen Programm von Corona Immunitas finden Sie
hier.