Corona schlägt immer mehr Menschen aufs Gemüt

In der Schweiz ist eine deutliche Zunahme von Depressionen zu beobachten. Auch bei Kindern und Jugendlichen, sagt Chefarzt Oliver Bilke-Hentsch.

, 28. Januar 2021 um 07:54
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Immer mehr Menschen leiden im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie an Depressionen. Verglichen mit dem ersten Shutdown hat sich die Zahl der Menschen, die unter schweren depressiven Symptomen leiden, verdoppelt. Dies geht aus einer aktuellen Umfrage der Covid-Taskforce hervor.
Kindern und Jugendlichen schlägt die Pandemie langfristig wohl noch mehr auf die Psyche als den Erwachsenen. Denn seit Oktober sind psychiatrische Kliniken für Jugendliche und Kinder voll und zum grossen Teil überbelegt, wie Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Bilke-Hentsch dem «Tages-Anzeiger» in einem Interview sagt.

Mehr Anrufe beim Sorgentelefon 

Die unberechenbaren Veränderungen und die damit steigende Verunsicherung habe bei vorbelasteten Kindern und Jugendlichen zu einer drastischen Verschärfung ihrer Symptomatik geführt, so der Chefarzt bei der Luzerner Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste.
Das widerspiegelt sich Bilke-Hentsch zufolge vor allem im ambulanten Bereich, da gebe es einen Zuwachs von bis zu 50 Prozent. Auch die wichtigen vorgelagerten Bereiche wie Sorgentelefone oder Beratungsstellen vermelden einen deutlichen Zuwachs, erklärt der Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Zeitung weiter. 

Suizidversuche nehmen zu

Der Präsident der Vereinigung kinder- und jugendpsychiatrischer Chefärzte Schweiz stellt ferner eine beunruhigende Zunahme von ernsthaften Suizidversuchen fest. Obwohl man das noch nicht mit langfristigen Zahlen untermauern könne, sagt er gleichzeitig. 
«Es bereitet uns grosse Sorge, dass Jugendliche in die Kliniken eingewiesen werden, die ohne grosse Vorerkrankungen oder Vorzeichen in einen Verzweiflungszustand geraten, der ihnen ausweglos erscheint.» Und das sei in allen Landesteilen so.  

Neues Phänomen aufgetaucht

Die Psychiater beobachten derzeit ferner eine zunehmende Anzahl Jugendlicher, die von Amphetaminen oder Kokain auf beruhigendere Rauschmittel umsteigen: etwa Cannabis, Alkohol oder eben auch Psychopharmaka.
Vermehrt stelle man auch fest, dass auch unkontrolliert Benzodiazepine wie Xanax oder Temesta konsumiert werde. «Diese Entwicklung müssen wir in den kommenden Monaten genau beobachten, denn der Entzug ist aufwendig und schwierig», sagt Bilke-Hentsch. Dies sei ein Phänomen, das es vor einem Jahr in der Breite so kaum gab.
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